[9/10/11]
19
nachdrücklichste erklärt werden,/daß es mit dem mechanischen,
atomistischen und individualistischen Erkenntnisideale jenen Ge-
schlechtern bitterer Ernst war. Man braucht aber nicht einmal das
Schrifttum jener Zeiten zu studieren, um sich davon zu überzeugen.
Es genügt auch ein Blick auf das heutige Schrifttum jener Länder, in
denen die „klassische“ Volkswirtschaftslehre bis jetzt ungebrochen
herrscht, wie in Schweden und England (in Amerika ist man seit
dem Kriege durch das Aufkommen der „institutioneilen Schule“,
einer realistisch-geschichtlichen Schule, davon zum Teil abgekom-
men). Für England verweise ich außer auf Jevons und Marshall auf
das Buch von Henderson, „Angebot und Nachfrage
1
“. Wer an dem
Gesetze von Angebot und Nachfrage rüttelt, gleicht nach Henderson
jenem, der „den Mond anbellt“
2
! Man braucht aber auch nur Men-
gers Methodenbuch
3
nachzulesen, um dasselbe als selbstverständlich
vorzufinden. Bei Cassel herrscht zwar weniger methodologische Be-
wußtheit, aber die eben entwickelten Grundsätze sind ihm so selbst-
verständlich, wie daß morgen die Sonne auf gehe. Ja sogar noch in
der Windelband-Rickertischen Logik gibt es keine andere Möglich-
keit, als daß neben der untheoretischen „idiographischen“ (indivi-
duellen) Begriffsbildung der Geschichte die „nomothetischen“, „ge-
nerellen“ Begriffe, das heißt aber die naturwissenschaftlichen, me-
chanisch-ursächlichen Gesetze (nach Art der mathematischen Physik)
einhergehen. Volkswirtschaftliche Theorie kann darnach methodo-
logisch nur in demselben Sinne möglich sein wie Theorie der an-
organischen Natur, Volkswirtschaftslehre ist dann nur als eine Art
von „sozialer Physik“ möglich. — Auch in der deutschen Öffent-
lichkeit herrscht aber dieser Geist noch vor. Erklärten denn Politiker
wie Gelehrte in Deutschland Valutensturz und Inflation nach dem
Kriege nicht ganz allgemein nach mechanischen Quantitätsgesetzen,
besonders nach dem „Gesetze“ von Angebot und Nachfrage? Er-
klärte man nicht allgemein, die Börse sei an dem Kronen- und
Marksturze ganz und gar unschuldig, denn sie sei lediglich / ein
1
Hubert Henderson: Angebot und Nachfrage (Wirtschaftswissenschaft-
liche Leitfäden, Bd 1), deutsch von Melchior Palyi, Berlin 1924.
2
Hubert Henderson: Angebot und Nachfrage, Berlin 1924, S. 17.
3
Carl Menger: Untersuchungen über die Methode der Socialwissen-
schaften, Leipzig 1883.