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Das möge zuerst ein Vergleich mit dem menschlichen Organismus klar-
machen. Wenn der Organismus, um die Selbständigkeit der Organe zu be-
einträchtigen, etwa die Leistungen des Herzens auf die Lunge übertrüge,
z. B. indem diese selbst pulsierte, dann diese Herz-Lunge auch die Leistun-
gen anderer Organe übernähme — so gäbe es bald keinen gegliederten Or-
ganismus mehr. Ein einziges Organ hätte alle anderen Organe in sich auf-
genommen (konsumiert). Der Organismus müßte dann zuletzt aus lauter
homogenen Zellen bestehen. Das O r g a n i s c h e i s t a b e r n i c h t
h o m o g e n , d a s H o m o g e n e n i c h t o r g a n i s c h . Das Homogene
ist im Gegenteil ein Haufen. Genauso erginge es überall, wo die höhere
Ganzheit die niedere aufzehren würde. Wenn die Zwischenstufen und un-
teren Stufen verschwinden, ist der Gliederbau überhaupt aufgehoben. Alles
wäre dann in einen einzigen Brei gleichartiger Bestandteile verwandelt.
Daher ist „Weltwirtschaft" nur möglich, wenn „Volkswirtschaften“, und
zwar als vollebendige Einheiten, vorhanden sind. Darum und nur darum
sehen wir die Weltwirtschaft selbst gegliedert (nicht aus Homogenem be-
stehend), weil die Volkswirt-/ schaften als Gebilde, die durch arteigenes
Kapital höherer Ordnung ihre Wirtschaftsmittel gestalten, arteigene Lei-
stungen, arteigene Gliedhaftigkeit zeigen. Die Weltwirtschaft zeigt sich als
Gliederbau, indem sie sich in Fabrikatländer, Rohstoffländer, Schiffahrtlän-
der, Handels- und Kapitalsländer usw. ausgliedert. (Dies war immer so, war
auch in primitiven Zeiten sinngemäß ähnlich!) Fielen die Volkswirtschaften
als arteigene Einheiten weg, dann blieben nur einzelne Wirtschaftssubjekte
übrig, die miteinander überall schrankenlos „verkehrten". Es gäbe dann
nur „Verkehrswirtschaft" schlechthin, die ganze Erde wäre ein einziges
„Verkehrsgebiet", an die Stelle der Wirtschaftsganzheiten träten lauter
Verkehrsakte der Wirtschaftsindividuen an sich selbst — eine Utopie, die
noch unmöglicher, noch wesenswidriger ist als jene des Kommunismus.
Aus dem Stufenbaue der Wirtschaft und den ihm innewohnen-
den Sacherfordernissen folgt als grundlegende wirtschaftspolitische
Einsicht: daß die V o l k s w i r t s c h a f t n u r s o w e i t G l i e d
d e r W e l t w i r t s c h a f t z u w e r d e n h a t , a l s d i e V o l l -
s t ä n d i g k e i t i h r e r i n n e r e n A u s g l i e d e r u n g n i c h t
e r r e i c h b a r i s t , das heißt, als gewisse Leistungskräfte (Produk-
tivkräfte) unentwickelbar erscheinen und andererseits gewisse an-
dere Leistungen solche natürliche Überschüsse abgeben, daß damit
das Fehlende ersetzt werden kann. N i c h t F r e i h a n d e l b e -
z e i c h n e t d a s w e s e n s g e m ä ß e V e r h ä l t n i s d e r V o l k s -
z u r " W e l t w i r t s c h a f t , s o n d e r n W a h r u n g d e r w e -
s e n s g e m ä ß e n A u s g l i e d e r u n g s f ü l l e b e i d e r a u f d e r
G r u n d l a g e d e r z u r S e l b s t v e r s o r g u n g s t r e b e n d e n
völkischen Wirtschaft. Denn wesensgemäß verlangt die Volkswirt-
schaft ihre g a n z e jeweils erreichbare Ausgliederungsfülle. Das
Fehlen des einen oder anderen Sachgebietes durch jeweilige markt-
preismäßige Vorteile einzelner Waren rechtfertigen zu wollen (wie