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schule mit neuen Mitteln. Heute ist sie auch in Österreich fast aus-
gestorben, desgleichen in Skandinavien, ebenso in Amerika, wo die
„Institutionelle Schule“ größtenteils an ihre Stelle trat. Dennoch ist
es ratsam, sie einer höheren Prüfung zu unterziehen, da sie in ihren
verfeinerten Formen auch heute noch die Fragestellungen beein- /
flußt. Wir werden später den Nachweis führen, daß alle ihre Grund-
gedanken, nämlich die Annahme der Meßbarkeit der Bedürfnisse,
das Gossensche Gesetz, das Gesetz des Ausgleiches der Grenznutzen,
das Preisgesetz („Gesetz der Grenzpaare“), die Ableitung des Kosten-
wertes vom Genußwerte — daß sie alle unrichtig sind, darum auch
das ganze Gebäude von Scheinfragen, wie Zurechnung, Gesamtwert
und anderes, hinfällig ist
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Die Preiserklärungen der m a t h e m a t i s c h e n S c h u l e n
(Cournot, Walras, Pareto, Barone) endlich kommen für den ganz-
heitlichen Standpunkt schon aus verfahrenmäßigen Gründen ohne-
hin nicht in Betracht. Denn ihre Grundannahme, das „ceteris pari-
bus“, daß sich nämlich e i n Faktor, e i n e Größe, für sich allein ver-
ändern lasse (wie es ja bei jeder Rechnung und Gleichung notwendig
der Fall sein muß), ist durchaus wesenswidrig. In einer Ganzheit
besteht jedes Glied nur in Gegenseitigkeit mit allen anderen
Gliedern, ist daher das Glied begriffsmäßig nicht „unabhängige
Variable“, sondern seine Änderung ist sowohl Ausdruck der Än-
derung des Ganzen, wie es selbst das Ganze ändert. Zum Beispiel
kann sich ein Angebot, eine Nachfrage, ein Markt, ein Betrieb, ein
Haushalt nur ändern, wenn Erzeugung, Entlohnung, Verfrachtung,
Verbrauch usw. usw. sich vorher änderte, das heißt aber, streng ge-
nommen: das Gesamtganze der Volkswirtschaft eine Veränderung
erfuhr. Und, was das Wichtigste ist: alle diese Änderungen sind
nicht g r ö ß e n m ä ß i g bestimmt, sondern hängen von der s i n n -
v o l l e n S t e l l u n g des Gliedes im Ganzen ab. Darum sind die
tragenden Gleichungen und Formeln der mathematischen Volks-
wirtschaftslehre meistens harmlose Tautologien, so z. B. die Glei-
chungen Cassels und Irving Fishers
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Es ist kein Zufall, daß keine der bisherigen Wert- und Preis-
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Siehe unten S. 154 ff., 181 f„ 182 ff., 190 ff. und öfter.
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Vgl. mein Buch: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre, 23. Aufl.,
Leipzig 1933, S. 176 f. und 185 f. [25. Aufl., Heidelberg 1949, S. 190 f. und
204 f.]. — Weiteres über das mathematische Verfahren siehe unten S. 182 ff.
und öfter.