[
I
6
O
/
I
6
I
]
151
theorien ihre Aufgabe zu lösen vermochte. Das liegt nicht an der
einen oder anderen Unvollkommenheit der Ausführung, sondern,
wie unsere Einleitung andeutete, daran: daß die Aufgabe, die sie
sich setzten, nämlich eine eindeutige Wert- und Preisrechnung
theoretisch zu begründen, grundsätzlich unlösbar ist. Alle diese
Theorien leiden unheilbar an der falschen Annahme, daß es eine
eindeutige Wirtschaftsrechnung überhaupt gäbe. Aber die Wirt-
schaft ist nicht vollkommen rechenbar! Auch die praktische Wirt-
schaft kann daher keine eindeutige Wert- und Preisrechnung auf-
machen und hat es nie getan, solange es eine Wirtschaft gibt. Sie
zahlt zwar allerdings jedesmal bestimmte Preise, aber sie könnte
jedesmal auch andere festsetzen und bezahlen. Daraus folgt, daß
auch die Fragestellungen aller rechenhaften Wert- und Preislehren
fehlerhaft sein müssen.
Das alles werden wir nun näher zu beweisen haben, zunächst an
einer ausführlicheren Prüfung der Grenznutzenlehre, die zugleich in
die herkömmlichen Begriffe und Fragestellungen einführen soll.
Z w e i t e r A b s c h n i t t
Darstellung und Prüfung der Grenznutzenlehre
I.
Grundgedanken
Der sachliche Grundgedanke der Grenznutzenlehre Carl Men-
gers — wir halten uns an diese — ist am klarsten durch das von
Wieser so genannte Gossensche Gesetz bezeichnet
1
. Der entschei-
dende Gedanke des Gossenschen Gesetzes ist: daß die einzelnen
Stücke eines Gütervorrates eine stetig abnehmende / Bedürfnissätti-
gung oder Nutzung mit sich bringen, so zwar, daß die erste Mengen-
einheit eines Vorrates einen größeren Nutzen stiftet als die zweite,
weil sie ein Bedürfnis von „größerer Intensität und Dringlichkeit“
befriedigt, die zweite einen geringeren Nutzen als die erste, aber
einen größeren als die dritte und so fort, bis die volle „Sättigung
des Bedürfnisses“ erreicht und die Bedürfnisintensität auf Null
herabgesunken ist. Danach würde z. B. ein Wanderer in der Wüste,
1
Gemeint ist hier nur das Gesetz der abnehmenden Bedürfnissättigung,
das sogenannte E r s t e Gossensche Gesetz. Später hat Lexis das Gesetz des
Ausgleichs der Grenznutzen das Z w e i t e Gossensche Gesetz genannt.