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391

Als soziologisches ist das ganzheitliche Verfahren zugleich ge-

s c h i c h t l i c h :

Die

Wirtschaftswissenschaft

wird

eine

zu-

g l e i c h t h e o r e t i s c h e u n d g e s c h i c h t l i c h e W i s s e n -

s c h a f t , indem sie sowohl die systematische Ausgliederungsord-

nung der Wirtschaft als auch deren Umgliederung in der Geschichte

zum Gegenstände hat: da „keine Ganzheit in absoluter, in schlecht-

hin systematischer Ausgliederung erscheint, nur in der Umgliede-

rung sich ausgliedert und offenbart, und da andererseits keine Um-

gliederung, keine Geschichte angetroffen werden kann, die nicht ein

bloßer Abschnitt (eine Phase) in der zeitlichen Ausgliederung einer

Ganzheit wäre. Es darf als der höchste Triumph unserer Lehre be-

zeichnet werden, daß sie den bisher als unversöhnlich erschienenen

Gegensatz der theoretischen und geschichtlichen Betrachtungsweise

— Ricardo gegen Roscher und Knies, Menger gegen Schmoller, Win-

delband und Rickert in der schroffen Scheidung der nomothetischen

von der idiographischen Begriffsbildung — überwindet und beide

als notwendige organische Bestandteile einer und derselben Be-

griffsbildung, der ganzheitlichen, nachweist.

1

Das universalistische Verfahren entfaltet die in der Wirtschafts-

wissenschaft immer stärker hervortretenden Tendenzen einer Zu-

rückdrängung der „Katallaktik“ — also der Auffassung der Wirt-

schaft als reinen Tausch- und Verkehrsgeschehens und der Wirt-

schaftslehre als reiner Wert- und Preistheorie — zu Gunsten einer

umfassenden — über die Marktformenlehre mit ihrer immer noch

zentralen Stellung der Wert- und Preislehre hinausführenden —

„M o r p h o l o g i e “ folgerichtig weiter.

Das gleiche gilt von der Zurückweisung beziehungsweise Einord-

nung der Quantifizierung und Mathematisierung in die ihnen zuste-

henden Grenzen durch die Betonung des qualitativen und daher nie-

mals vollkommen rechenbaren Charakters der Wirtschaft — bei aller

die Lehre von den Präferenzen; über die Behauptung, die wirkliche Wirt-

schaft sei eine Welt von Monopolen („world of monopolies" von Joan Robin-

son) — eine von der ganzheitlichen Preistheorie Jahrzehnte vorher bereits

gewonnenen Erkenntnis von dem monopoloiden Charakter jedes Preises —,

bis zur Theorie der Spiele, der die Wirtschaftslehre eine Mathematik stra-

tegischer Kalküle wird — allerdings mit spürbarer Resignation hinsichtlich

der durchgängigen Errechenbarkeit aller möglichen „Schachzüge".

So führt die katallaktische und die morphologische Wirtschaftstheorie,

die nur Preistheorie sein und den Vorrang der Leistung vor dem Preis

nicht zur Kenntnis nehmen will, zur resignierenden Feststellung von der

Unmöglichkeit einer allgemeinen Preistheorie, also zu ihrer Selbstauflösung.

Sie versandet in Kasuistik, das heißt Beschreibung von Einzelfällen, und

Preisgeschichte, was Menger seinerzeit Schmoller und dem Historismus vor-

warf!

1

Othmar Spann: Artikel Universalismus, Handwörterbuch der Staatswis-

senschaften, 4. Aufl., Bd 8, Jena 1928, S. 461.