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zwischen diesen Bereichen, von denen man oft behauptet, daß die
Wirtschaftstheorie eine Wissenschaft vom Sein, die Wirtschafts-
politik aber der Bereich von Sollenssätzen, also von Werturteilen
wäre.
Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik bilden insoferne eine
Einheit, als die Wirtschaftspolitik als Wissenschaft jener Teil der
Theorie ist, der die Lehre von den organisierenden Leistungen ent-
wickelt und daraus — unter Berücksichtigung von Wirtschafts-
geschichte, Wirtschaftsstatistik und aller übrigen Daten — die Leit-
sätze für die jeweils vollkommenste Gestaltung der Wirtschaft ab-
leitet; ferner die Folgen der praktischen Wirtschaftspolitik — also
der Wirtschaftspolitik als Handeln — analytisch möglichst vollstän-
dig aufzuzeigen versucht.
Ein Beweis für den engen Zusammenhang zwischen Wirtschafts-
theorie und Wirtschaftspolitik liegt darin, daß alle Schlüsselbegriffe
der Wirtschaftspolitik, welche die rationalen Grund- und Leitsätze
des wirtschaftspolitischen Handelns darstellen, aus den von der
Wirtschaftstheorie
entwickelten
Kategorien
analytisch
abgeleitet
werden können:
die für die Wirtschaftsverfassungs-, Wirtschaftsorganisations- und
Wettbewerbspolitik geltenden Leitsätze aus dem Wesen des Wett-
bewerbs und im besonderen aus der Zergliederung des Verhältnisses
von Organisation und Wettbewerb;
die Wirtschaftsausbau- oder Entwicklungspolitik aus der Kate-
gorie des Eigenlebens der Wirtschaftsgebilde;
die Leitsätze für die Betriebsgrößen-, Standort- und Dezentrali-
sationspolitik
aus
jener
der
verhältnismäßigen
Leistungsfähigkeit
oder Vorzüglichkeit der Wirtschaftsmittel;
die Leitsätze der Konjunktur-, Krisen- und Verstetigungspolitik
aus den Kategorien der Entsprechung und der Umgliederung;
jene der Vorbilderpolitik aus der Kategorie der schöpferischen
Entsprechung.
Eine Art Antinomie liegt allerdings darin, daß diese Schlüssel-
begriffe oder rationalen Leitsätze der Wirtschaftspolitik allein kei-
nen zureichenden Kanon für das wirtschaftspolitische Handeln ab-
zugeben vermögen, dieses vielmehr immer der staatlichen Grund-
norm und des staatlichen Rahmens bedarf und dadurch wiederum
einen „irrationalen“ Einschlag erhält. Es ist dies aber begreiflich,
denn auch Wirtschaftspolitik ist Politik, und kein gesellschaftlicher
Lebenskreis, am wenigsten jener der Wirtschaft, kann — trotz einer
gewissen Eigengesetzlichkeit — der Oberleitung des Staates entraten.
Die Wirtschaftspolitik kann eine zweifache Zielsetzung haben:
jene der Wohlstandserhöhung und jene der Gesellschaftsförderung.
Die erste, die Wirtschaftspflege, setzt sich die Erhöhung der Frucht-