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Aber dieser Zustand ist schon mehr die Folge als der Grund
einer bestimmten geistigen Haltung des Volkes. Gehen wir auf diese
zurück, so finden wir sie bei den Tschechen (und es stellt sich her-
aus, daß dies ähnlich für viele kleine Völker gilt) noch durch einen
anderen Vorgang gekennzeichnet, eben den, welchen wir als „Aus-
laugung“ bezeichneten. Er besteht darin: daß seit Jahrhunderten alle
Menschen, welche wissenschaftlich, künstlerisch, organisatorisch,
wirtschaftsführend oder sonstwie selbständig und schöpferisch her-
vortraten, sich verlockt fühlten, der höher stehenden, bewegteren,
mit ungleich größerer Fülle und ungleich weiteren Möglichkeiten
versehenen Geistesgemeinschaft und Wirkensgemeinschaft deutschen
Lebens sich anzuschließen. In alter Zeit schlugen solche Wege gerade
die bedeutendsten Fürsten und Führer der Tschechen ein. In jün-
gerer und jüngster Zeit zeigte sich dieser Vorgang mehr auf geisti-
gem, wirtschaftlichem und organisatorischem, kaum noch auf poli-
tischem Gebiete. Die tschechischen Schriftsteller und Forscher ver-
öffentlichten ihre Arbeiten wenn möglich in deutscher Sprache,
Techniker und Organisatoren suchten auf allen Gebieten Anknüp-
fung an das unendlich reichere deutsche (deutschösterreichische und
reichsdeutsche) Leben, und überhaupt sahen sich alle, die höher
strebten und etwas eigenes zu sagen hatten, ver- / anlaßt, über die
Enge ebenso wie Armut der tschechischen Verhältnisse hinauszu-
Politik beschäftigen. In der Jugend sollen Herz und Gemüt, Denk- und Ge-
staltungskraft in stiller Arbeit an sich selbst wachsen und gebildet werden. Aber
Parteienhader, Eiferertum, Leidenschaften, gegenseitige Ränke und Kämpfe
politischer Klüngel hindern und stören jene innere Arbeit. Gewiß geben die
politischen Kämpfe auch Anstöße zu neuem Leben, neuer Erregung, aber sie
können für das tiefere Geistesleben nicht fruchtbar werden, da sie die i n -
n e r e R u h e u n d S t i l l e nicht aufkommen lassen, die zur Selbstvertie-
fung unentbehrlich ist. — Auch zieht die Massenbeschäftigung mit Politik schon
frühzeitig allzu viele Begabungen in das politische und tätige Leben, so daß
für das geistige zu wenig übrig bleiben. Die geistigen Berufe werden also von
den im weiteren Sinne politischen Berufen und Betätigungen a u s g e l a u g t .
Von je haben alle demokratischen Länder unter dieser geistverzehrenden
Massenbeschäftigung mit Politik unsäglich gelitten. Griechenland nach dem
Peloponnesischen Kriege, Rom bis Augustus, Frankreich seit 1789, Deutschland
und Österreich seit 1848, namentlich aber seit 1918.
Daß in einer g e s u n d e n S t ä n d e o r d n u n g , wo politischer Parteien-
hader, politische Massenwerbung und vieles andere grundsätzlich wegfällt,
die Sache wesentlich anders steht, wurde oben bereits bemerkt und wird unten
noch zu zeigen sein.