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„Er fragt nicht viel, wie ihn die Menge richte,

Der eig’nen Ehr’ nur in der Brust vereidet“;

das eigene Gesetz des Dichters, das Apriorische der Kunst tritt her-

vor, gibt ihr die Richtung, bestimmt allein, was ihr angemessen ist;

„Denn wo begeistert er die Blicke weidet,

Grüßt ihn der Weltkreis mit verwandtem Lichte ..

Indem nämlich der Dichter das Wesen der einzelnen Dinge erfaßt,

hat er zugleich den metaphysischen Zusammenhang der Welt erfaßt.

Allüberall trifft er auf das Ursprüngliche, Urwesenhafte in kosmi-

schem Zusammenhang; er hält die Welt als einen Schleier, hinter dem

er die Gottheit spürt. Das ist faustisch im höchsten Sinne. Eine Sache

um ihrer selbst willen tun — wenn man ganz bis ans Ende geht, bis

zu dem Wesenhaften, Urlebendigen, das man damit erfaßt — das ist

schon die Frage an die Welt, die Frage Faustens.

In seinem höchsten Glanze zeigt sich der deutsche Geist in der

Philosophie, wo wir finden, daß unter den neueren großen Völkern

die Franzosen einen ganz kahlen Rationalismus (die im engern Sinne

sogenannte Aufklärungsphilosophie) ausbildeten, der zum philoso-

phischen Materialismus führte, die Engländer aber einen trockenen

Wirklichkeitssinn zeigen, der den Utilitarismus hervorbrachte und

als „Empirismus“, „Sensualismus“, „Relativismus“ und dergleichen

mehr nur eine andere Spielart des Materialismus bedeutet. Es ist nicht

zu viel gesagt: Die Deutschen sind hier die Retter des Abendlandes

geworden und haben sich als die eigentlichen Kulturträger bewährt.

Denn nur die deutsche Philosophie geht auf den Zusammenhang der

Dinge mit dem Weltganzen, auf das, was sie im „Weltkreis“, was

sie innengeistig, metaphysisch sind. Wenn wir von Meister Eckehart

über Jakob Böhme, Leibniz, Kant, bis zu Fichte, Schelling, Baader,

Schleiermacher, Krause und Hegel gehen, so finden wir, daß das

d e u t s c h e V o l k i n d e r N e u z e i t u n t e r d e n V ö l k e r n

d i e S t e l l u n g e i n n i m m t , w e l c h e I n d i e n u n d

G r i e c h e n l a n d i m A l t e r t u m e i n n e h a t t e n . Was be-

sonders die neuere Philosophie betrifft, so hat zuerst Kant den gänz-

lich entleerten Tempel des europäischen Geistes mit Licht und

Ahnung, ja mit Göttern gefüllt; dann hat Fichte vor allem in gewal-

tigem Vernichtungskampf die Mitgartschlange des englischen und