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wäre es ein noch so geringes Ding, es hat sein eigenes Gesetz und
Wesen! Damit haben wir den Begriff toter Stofflichkeit der Dinge
überwunden. Das Ding ist uns nicht mehr tote, mechanische, bloß
äußere Materie, sondern ein Inneres, sein innerstes Wesen selbst. Und
so sind wir endlich da angekommen, was wir alle im Innersten er-
streben: Wir sind beim Geiste gelandet. Das Leben und alles in der
Welt ist nun geistig. Das Eisen ist nicht mehr ein bloß Werkzeug-
liches Außending, bloße Schwere, toter Stoff, sondern eine lebendige
Kraft, ein höherer Wert, eine eigene Natur; es ist nur das K l e i d
jener Natur, jenes Geistigen, das man, märchenhaft gesprochen, den
Eisengeist nennen könnte. Alles Äußerliche muß verinnerlicht wer-
den. Und das heißt eben, eine Sache ernst nehmen: es heißt, die
Äußerlichkeit Schritt für Schritt entstofflichen, entmaterialisieren,
heißt zu ihrem Wesen Vordringen, es heißt, eine Sache um ihrer selbst
willen tun — nämlich um ihres Innersten willen!
Herrlich sagt uns dasselbe der Seher Novalis, nicht nur mit rhyth-
misch einschmeichelndem Gesange, sondern indem er dabei den Be-
griff, das Wesentliche selbst, deutlich offenbart:
„Wenn ich ihn nur habe,
Hab ich auch die Welt;
Selig wie ein Himmelsknabe,
Der der Jungfrau Schleier hält.“
Die Dinge sind der Schleier, hinter dem sich das Göttliche verbirgt.
Ein Himmelspage hält diesen Schleier und schaut und fühlt damit
zugleich das Himmlische selbst. Und auch wir halten in den Dingen
den Schleier des Geheimnisses hinter dem, in dem das Himmlische
lebt. Habe ich die Welt in diesem Sinne, so habe ich das Wesen der
Welt. — Wenn ich die Dinge so anschaue, so habe ich sie anders als
der französische oder englische Geist, nicht von außen (rationalistisch),
nicht als mir dienlich (utilitaristisch), sondern von innen. Hier liegt
deutscher Gemütsrichtung innerster Kern. Möchte er doch auch in
den härtesten Stürmen unserer verwirtschaftlichten Zeit unberührt
erhalten bleiben!
Ist dieser Versuch, den innersten Kern des deutschen Wesens klar
zu machen, geglückt, so muß die Geistesgeschichte das Ergebnis be-
währen. Eine solche Bewährung wollen wir kurz versuchen.