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ihm zuschreiben, ihm abgewinnen. Eine Innerlichkeit, ein Verbor-
genes, Ureigenes, das ist: etwas Ursprüngliches, Erstes muß ich jeder
Sache zuschreiben! Meister Eichendorff hat es so ausgedrückt:
„Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.“
Indem wir diese große Wendung vollziehen, das innere Lied in
den Dingen zu hören und so der Wesenheit der Dinge nachzugehen,
erkennen wir erst ein lebendiges Außerunssein, ein u r s p r ü n g -
l i c h e s Leben neben uns an. Indem wir die Welt nicht mehr als
eine äußere, lediglich stoffliche Wirklichkeit, eine Maschine, ein Tot-
Mechanisches betrachten, das uns zu äußerem Handeln und Erfolg
verhilft, sondern d a r ü b e r h i n a u s als etwas, was in sich selbst
lebt, sind wir deutsch.
Aber was ist dies Urlebendige in den Dingen? Hier können wir
eine etwas schwierigere Wendung nicht vermeiden: Es ist das Über-
sinnliche, Metaphysische, das Transzendente — es ist das Göttliche
in der Welt, das der deutsche Geist überall unbewußt in den Dingen
wie im Weltganzen sucht, beharrlicher und inniger sucht als die west-
lichen Völker. Vielleicht wollen da einige unter Ihnen nicht mehr mit
mir gehen. Unsere Zeit ist ja ganz aufklärerisch, ganz unreligiös
eingestellt. Aber das Wichtige, was ich Sie zu bedenken bitte, ist:
Das Metaphysische liegt ja gar nicht „hinter“ den Dingen; es steht
auch nicht „über“ ihnen. Sondern in den Dingen lebt es und webt es,
es ist ihr eigenes Inneres. Die Sprache ist (in diesem Zusammenhange
gesehen) nicht glücklich gewendet, wenn sie lediglich von dem Uber-
weltlichen, dem Übersinnlichen spricht; sie hat auch vom Inner-
weltlichen, Inner-Sinnlichen, Innergeistigen, im Innern Bedingenden
zu sprechen. Denn mit jenem „Über“-Weltlichen und „Über“-Sinn-
lichen ist nicht ein vollkommen Ungegenwärtiges gemeint, sondern es
ist gerade auch (damit zugleich) das Eigentliche, Wesenhafte und In-
nerste gemeint, das selbständige Leben im Herzen der Dinge! Solches
Denken führt uns von der Befangenheit im Äußerlichen, im Beding-
ten hinein in das Freie, das Unbedingte, das Metaphysische, das
Apriorische, das Übersinnliche, wie es mit hundert Namen heißt. Und
wäre es auch nur ein mechanisches Gerät, eine Maschine, eine Fabrik,