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durch die Verfolgung seines eigenen Interesses das der Gesellschaft weit wirk-
samer, als wenn er es wirklich zu befördern beabsichtigte.“
1
Arbeitsteilung und Tausch sind Erscheinungen, die unbeabsichtigt aus dem
Eigennutz entspringen. „Der Mensch braucht die Hilfe seiner Mitmenschen fast
immer und würde diese vergeblich von ihrem Wohlwollen allein erwarten. Er
wird viel leichter Erfolg haben, wenn er die Eigenliebe zu seinen Gunsten inter-
essieren . . . kann. . . Nicht von dem Wohlwollen des Fleischers, Brauers und
Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachtnahme auf
ihr eigenes Gut. Wir wenden uns nicht an ihre Humanität, sondern an ihre
Eigenliebe.. .“
2
Smith tadelt Colbert wegen seiner planmäßigen Beeinflussung
der Volkswirtschaft „statt nach den liberalen Grundsätzen der Gleichheit, Frei-
heit und Gerechtigkeit j e d e r m a n n s e i n I n t e r e s s e a u f s e i n e
e i g e n e A r t v e r f o l g e n z u l a s s e n . . . “
3
„Der gesunde Zustand des
menschlichen Körpers dürfte ein gewisses unbekanntes Prinzip der Erhaltung in
sich tragen, das selbst die schlimmen Folgen eines sehr fehlerhaften Verhaltens
vielfach abwendet.. .“ So ist auch „. . . im Staatskörper [gemeint ist die Volks-
wirtschaft] das natürliche Bestreben jedes Menschen, seine Lage zu verbessern,
ein erhaltendes Prinzip . . . das die schlimmen Folgen einer parteiischen . .. Wirt-
schaftspolitik vielfach abzuwenden ... vermag“
4
. „Wenn .. . alle Begünstigungs-
oder Beschränkungssysteme beseitigt werden, so stellt sich das einleuchtende und
einfache System der natürlichen Freiheit von selbst her. Jedem bleibt es .. . über-
lassen, seine Interessen auf seine Weise zu verfolgen und seine Arbeit und sein
Kapital mit denen anderer Leute ... in Wettbewerb treten zu lassen.“
5
Man kann in dieser Lehre Smithens fünf Bestandteile, die er
selbst allerdings nicht klar auseinanderhielt, unterscheiden: 1. den
Eigennutz als die wirksamste und allein wesensgemäße Triebfeder
der Wirtschaft; 2. den Wettbewerb als daraus abgeleitet; 3. die
selbsttätige Entstehung der Wirtschaftserscheinungen aus den eigen-
nützigen Handlungen der Einzelnen; 4. die (aus 1 und 2 folgende)
natürliche Ordnung (ordre naturel) und 5. die wirtschaftspolitische
Lehre von der Wirtschaftsfreiheit. — Alle diese Punkte hängen
innig miteinander zusammen. Der wichtigste ist wohl der dritte, der
noch heute, wo die Lehre vom Eigennutz nicht mehr gern und
offen verkündet wird, ganz allgemein und wie selbstverständlich in
unserer Wissenschaft angenommen wird
6
. Danach entstehen z. B.
Arbeitsteilung, Geld und Geldmenge nicht durch absichtliche An-
1
Adam Smith: a. a. O., Buch 4, Kapitel II, S. 230 f. (von mir gesperrt).
2
Adam Smith: a. a. O., Buch 1, Kapitel I, S. 20.
3
Adam Smith: a. a. O., Buch 4, Kapitel IX, S. 210 (von mir gesperrt).
4
Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of
Nations, London 1776, übersetzt von Franz Stöpel, 2. Aufl., Berlin 1905, Buch 4,
Kapitel IX, S. 224.
5
Adam Smith: a. a. O., Buch 4, Kapitel IX, S. 241 f.
6
Wenn dieser Irrtum beseitigt wäre, käme Licht in unsere Wissenschaft.