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Wissenschaft
1
. — In der physiokratischen Schule, z. B. bei Mercier
de la Rivière, traten dann Eigennutz und Freiheit noch stärker her-
vor, und das Schlagwort „Laissez faire et laissez passer, le monde va
de lui même“ kam immer mehr in Geltung.
B. A d a m S m i t h
Trotzdem sich eine planmäßige Entwicklung der Lehre vom
Eigennutz bei Smith, der ja überhaupt kein systematischer Denker
war, nicht findet, sind seine Ansichten bis heute in unserer Wissen-
schaft maßgebend. Smith entwickelt fast in jeder seiner Lehren,
sei es in jener von der Arbeitsteilung, vom Gelde, vom Kapital, vom
Preise, wie in seinen Darlegungen gegen die Merkantilisten, den
Gedanken: daß durch den Eigennutz des einzelnen Wirtschafters
und durch den daraus folgenden Wettbewerb von selbst die „natür-
liche Ordnung“ der Dinge sich ergebe. Dies mögen folgende Stellen
aus dem „Wealth of Nations“ verdeutlichen
2
.
„Inmitten aller Anforderungen der Regierung ist das Kapital [der englischen
Wirtschafter] durch die Sparsamkeit und Klugheit Einzelner, durch ihre all-
gemeine, stetige und ununterbrochene Anstrengung, ihre Lage zu verbessern,. ..
gewachsen. Diese Anstrengung, die... durch die Freiheit, sie auf die vorteil-
hafteste Weise auszuüben (geschützt war), hat den Fortschritt Englands zu
Reichtum und Kultur_____zuwege gebracht.. .“
3
„Da ... jeder sein Kapital mög-
lichst zur Unterstützung des inländischen Gewerbefleißes zu verwenden und
diesen Gewerbefleiß so zu leiten sucht, daß sein Produkt den größten Wert er-
hält, so arbeitet auch jeder dahin, das Jahreseinkommen des Volkes so groß zu
machen, als er kann. A l l e r d i n g s b e a b s i c h t i g t e r i n d e r R e g e l
w e d e r d a s a l l g e m e i n e W o h l z u f ö r d e r n , n o c h w e i ß e r ,
i n w e l c h e m M a ß e r e s b e f ö r d e r t . Wenn er dem heimischen Ge-
werbefleiß vor dem fremden den Vorzug gibt, hat er nur seine eigene Sicher-
heit vor Augen, und wenn er diesen Gewerbefleiß so lenkt, daß sein Produkt
den größten Wert erhält, bezweckt er lediglich seinen eigenen Gewinn, und
wird in diesem wie in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand ge-
leitet, einen Zweck zu befördern, der ihm keineswegs vorschwebte. Das Volk
hat davon keinen Schaden, daß jenes seine Absicht nicht war. Oft fördert er
1
Die Nachweise hierfür siehe bei August Oncken: Geschichte der National-
ökonomie, Leipzig 1902, S. 342 f.
2
Adam Smith: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of
Nations, London 1776, angeführt nach der Übersetzung von Franz Stöpel: Eine
Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes, 2. Aufl., Berlin
1905.
3
Adam Smith: a. a. O., Buch 2, Kapitel III, S. 98 f.