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gestellt werden. Ein rein analytisch-individualistisches Denken der
Wirtschaft kann immer nur zu dem Schlusse kommen, daß grund-
sätzliche Freiheit der Wirtschafter herrschen müsse. Denn das Tun
der Einzelnen ist ja ihrer Voraussetzung nach die einzige wirtschaft-
liche Wirklichkeit. Reine Wirtschaft (man könnte auch sagen: das
Höchstmaß an Wirtschaft, an wirtschaftlicher Wirklichkeit) bildet
sich daher nur, wenn das Tun der Einzelnen nicht gehemmt wird.
Daraus folgen von selbst die Forderungen nach Freihandel, Ge-
werbefreiheit, sowie jeder andern Form von Wirtschaftsfreiheit.
II. Die universalistische Volkswirtschaftslehre
Schwieriger als die Darstellung des Begriffsgebäudes der indivi-
dualistischen ist diejenige der u n i v e r s a l i s t i s c h e n o d e r
o r g a n i s c h e n V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e . Die organi-
sche Auffassung der Volkswirtschaft ist die ältere, sie fand aber
weder bei Platon und Aristoteles, noch in der Scholastik, noch auch
im Merkantilismus (der sie nicht mehr rein festhielt) je eine solche
Ausbildung, daß sie als g e s c h l o s s e n e s Begriffsgebäude der
individualistischen hätte gegenübertreten können. Das war auch im
Mittelalter, wo der Individualismus keine Macht und die Wirtschaft
im großen Ganzen wohlgeordnet war, nicht nötig. Zum ersten
Male tritt daher erst die deutsche Romantik dem individualistischen
Systemgedanken planmäßig entgegen und ist bestrebt, einen eigenen
universalistischen zu entwickeln. Sie tat dies gestützt auf die Philo-
sophie des deutschen Idealismus, welche der Aufklärung eine an-
dere, höhere Gedankenwelt entgegenstellte. Die Romantik bildete
die neue idealistische Philosophie zu einer großen Kulturbewegung
um, die nichts Phantastisches und Wirklichkeitsfremdes war (wie
naive Nichtkenner von ihr sagen), sondern eine wahre Kultur-
erneuerung, die denn auch damals in der ganzen gebildeten Welt
gewaltige Nachfolge fand: Sie äußerte sich nicht nur in einer neuen
Kunstrichtung, sondern auch in einer Neueinstellung aller Geistes-
wissenschaften, in denen überall romantisch-geschichtliche Schulen
gegründet wurden.
In der Volkswirtschaftslehre war es der Romantiker Adam Hein-