232
ihren Befehl auszuführen.“
1
Würde man nämlich, sagt Malthus,
diese Armen mit Geld unterstützen, so würden sie auf dem Lebens-
mittelmarkte erscheinen, nach dem Gesetze von Angebot und Nach-
frage aber die Preise steigern; indem sie aber die Preise steigern,
werden eben soviele Wirtschafter, die bei den früheren Preisen eben
noch ihr Dasein fristen konnten, in die Armut hinabgestürzt. So-
viele man der Armut entreißt, eben soviele stürzt man in sie hinab!
— Das ist das Ergebnis von Eingriffen in die Wirtschaftsgesetze!
Man begreift es, wenn noch ein heutiger englischer Schriftsteller
sagt: Das Gesetz von Angebot und Nachfrage angreifen, heißt „den
Mond anbellen“, ohne daß er damit in der englisch-amerikanischen
Wissenschaft im geringsten auffiele. — Die deutschen Neuricardaner
von heute denken ebenso, oder müßten zumindest folgerichtig so
denken, trauen sich aber mit der Sprache nicht heraus.
Jedermann erinnert sich da an die Einwände, welche gegen die
Möglichkeit der Lohnerhöhungen durch das Eingreifen der Gewerk-
schaften in den letzten Jahrzehnten von der liberalen Wissenschaft
und Praxis immer wieder geltend gemacht wurden: die durch ge-
werkschaftliche und sozialpolitische Eingriffe erzwungenen Lohn-
erhöhungen steigern die Preise; die Arbeiter müssen schließlich,
wenn überall solche Lohnerhöhungen erzwungen wurden, a l l e
ihre Bedarfsgüter zu höheren Preisen kaufen; die Lohnerhöhungen
wie alle Sozialpolitik lösen mithin einen „fehlerhaften Kreislauf“
aus.
Den gleichen verfahrenkundlichen Sinn hat die Aufstellung der
Freihandelslehre und die Ablehnung des Schutzzolls durch die
altklassischen wie die neuliberalen Theoretiker: derjenige Zustand,
der sich durch das ungehinderte, freie Walten der Naturgesetze der
Wirtschaft ergibt, der Freihandel, sollte überall verteidigt, die Hem-
mung der Naturgesetze der Wirtschaft, als ihr Abbruch tuend,
überall zurückgewiesen werden.
Diese Denkweise läßt bereits erkennen, wie die altklassische
Schule über den Druck der Wirtschaft und die Möglichkeit seiner
Beseitigung, über Fluch und Segen der Wirtschaft denken mußte.
1
Die Nachweise siehe in meinem Buch: Die Haupttheorien der Volkswirt-
schaftslehre auf lehrgeschichtlicher Grundlage, 20. Aufl., Leipzig 1930, S. 65 ff.
(jetzt: 28. Aufl., Graz 1969, S. 81 ff., bes. S. 83 = Gesamtausgabe Othmar
Spann, Bd 2).