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D . Der g e s c h i c h t l i c h e M a t e r i a l i s m u s M a r x e n s

Die Wirtschaft wird von Marx mit gleichen Lehrbegriffen zer-

gliedert wie von Ricardo. Es ist die oben geschilderte Arbeitswert-

theorie, der Marx folgt, und der er die letzte Verfeinerung angedei-

hen läßt, die sie in der Geschichte der Volkswirtschaftslehre fand.

Die Wirtschaft wird demnach von ihm aufgefaßt als etwas, das

durch arteigene Gesetze von mathematisch-mechanischer Eigenart

bestimmt werde — aber auch als etwas, das durch solche Gesetze

weiter entwickelt werde. (Ein Gedanke, der ja auch im „Bewegungs-

gesetze der Verteilung“ bei Ricardo auftritt

1

.) Es ist das „Gesetz der

Konzentration“ und „Akkumulation“ des Kapitals, das für Marx

im Mittelpunkte der Wirtschaftsentwicklung steht. Indem nämlich,

meint Marx, der Kapitalist nach jedem Wirtschaftsgange (nach jedem

Ablaufe einer „Wirtschaftsperiode“) seinen „Mehrwert“ einheimst,

wächst sein Kapital, „akkumuliert“ es sich. Der größeren Kapital-

menge entsprechen dann aber auch größere und immer größere Be-

triebe (wir übergehen alles Besondere dabei), welche den kleineren

überlegen sind und sie aufsaugen. Schließlich folgt daraus eine

zwangsläufige Umwandlung der kapitalistischen Wirtschaft in die

kommunistische, eine unvermerkte „Vergesellschaftung“ der Er-

zeugungsmittel. Diese steht aber in Widerspruch mit der noch un-

vergesellschafteten individualistischen, nämlich der „kapitalistischen

Aneignungsweise“. Dieser Widerspruch wird beseitigt werden, in-

dem die proletarisierten Massen nicht zögern, die vergesellschafteten

Erzeugungsmittel auch rechtlich in ihren Besitz zu bringen. Die Aus-

beuter werden beseitigt, „die Expropriateure werden expropriiert“.

Auf diese Weise wird die kapitalistische Wirtschaft durch die

ihr innewohnenden Naturgesetze umgestaltet. Da aber die Wirt-

schaft — nicht nach dieser Wirtschaftstheorie, sondern nach der Ge-

sellschafts- und Geschichtstheorie Marxens, der sogenannten materia-

listischen Geschichtsauffassung — zugleich bestimmend ist für den

gesamten Aufbau des menschlichen Gesellschaftslebens überhaupt

und für dessen Entwicklung, so wird das Wirtschaftsgesetz zugleich

Gesellschaftsgesetz und Geschichtsgesetz. Die Wirtschaft ist der „Un-

1

Vgl. mein Buch: Die Haupttheorien der Volkswirtschaftslehre auf lehr-

geschichtlicher Grundlage, 20. Aufl., Leipzig 1930, S. 81 (jetzt: 28. Aufl., Graz

1969, S. 96 f. = Gesamtausgabe Othmar Spann, Bd 2).