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V i e h z ö l l e u n d d i e F l e i s c h v e r t e u e r u n g t r e i b e n d a r f , a u c h

w e n n m a n A n h ä n g e r d e s S c h u t z z o l l s y s t e m s i s t , denn man lädt dabei

der Landwirtschaft zwei einander widersprechende Betriebszweige auf. Die Übertreibung der

Viehzölle hat auf sie eine zwiespältige Wirkung.

Wie wenig diese theoretisch einzig möglichen Gesichtspunkte beachtet werden, beweist

in erstaunlichem Maße E ß 1 e n, der neuerdings empfiehlt, „das für die ausreichende

Ernährung der Bevölkerung Deutschlands notwendige Fleisch im Inlande zu erzeugen,

dagegen das Brotgetreide einzuführen

1

“, das heißt die Getreidezölle herabzusetzen, die Vieh-

und Fleischzölle aber beizubehalten — ein Vorschlag, mit dem E ß 1 e n allerdings den

schwersten Verstoß gegen die T h ü n e n sche Theorie begeht, also gegen dieselbe Theorie,

auf welche er schließlich die Erklärung der Fleischteuerung aufbaut, nämlich gegen die

Theorie des abnehmenden Bodenertrages, deren folgestrenge Anwendung ja T h ü n e n s

Theorie der Lagerung der landwirtschaftlichen Betriebssysteme nach ihrem Intensitätsgrade

um den Markt ist. E ß 1 e n empfiehlt hier nichts anderes als den Übergang zu einem

extensiveren Betriebssystem (einem entfernter liegenden T h ü n e n schen Kreis) und das

Aufgeben eines intensiveren Systems! Das Gegenteil allein aber kann einen Sinn haben.

Als fernere Gruppe von Kostensteigerungen ergibt sich:

2. Die Teuerung der Verbrauchsgegenstände. Diese erscheint als

Funktion stark zunehmender Anhäufung der Bevölkerung in großen

Wohnplätzen (1910: in Deutschland 21%, in Österreich 10.9% in

Großstädten). Solche Ziffern geben nur eine sehr abgeschwächte

Vorstellung von der wirklichen Agglomerierung der Bevölkerung, da die

offizielle Statistik nach politischen Gemeinden zählt, so daß z. B. eine

industrielle Mittelstadt, die mit ihren Vororten 100.000 überschreitet,

statistisch doch nicht als Agglomeration von über

100.0

Menschen (Großstadt) erscheint. So zählte der Rheinisch-

Westfälische Kohlenbezirk 1895: 1,524.000, 1905: 2,310.0000 Einwohner,

der Oberschlesische Industriebezirk 1895: 528.000, 1905:

781.0

Einwohner, Zuwachs: 51, beziehungsweise 49% in zehn Jahren

1

1 2

. Diese Konzentrierung bedingt: weitere Transportwege und wachsende

Handelstätigkeit (das heißt stets komplizierteren Zwischenhandel, dessen

Billigkeit durch fortschreitende Arbeitsteilung gewiß weniger wächst als

seine Ausdehnung), namentlich zur Beschaffung der Lebensmittel bei

wachsender Rente der Lage. Alles dieses heißt: Inanspruchnahme

wachsend teurerer Beschaffungs-

1

Joseph Bergfried Eßlen: Die Fleischversorgung des Deutschen Reiches, Eine

Untersuchung der Ursachen und Wirkungen der Fleischteuerung und der Mittel zur Abhilfe,

Stuttgart 1912, S. 181.

2

Vgl. W i l h e l m K a e h l e r : Die Bildung von Industriebezirken und ihre

Probleme, Leipzig 1912, S. 15 f.