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Sorten aber 1880 : 140, 1909 : 176, 1910 : 182. Im ganzen also zirka 12%
Steigerung
1
.
Die angeführten Daten dürften hinlänglich gezeigt haben: daß seit dem
Mittelalter die Produkte der Viehzucht schneller im Preise steigen als die
Produkte des Ackerbaues.
E x k u r s ü b e r d i e Z u r ü c k d r ä n g u n g d e r V i e h z u c h t
d u r c h i n t e n s i v e r e L a n d b a u s y s t e m e
Die bisherigen preisstatistischen Ergebnisse sowohl wie ihre theoretische Erklärung
fordern zur Untersuchung der Frage nach der Bedeutung, welche Viehzölle und
Getreidezölle für die Teuerung haben, heraus. Wer Teuerungsprobleme richtig beurteilen
will, muß zwischen der Verschiedenheit der Viehproduktion und des Ackerbaues
unterscheiden.
Es sind zwei Grundverhältnisse, welche hier als Ausgangspunkte der Erörterung ins Auge
zu fassen sind.
Fürs erste, daß die Viehzucht (auch in ihren modernen Formen, besonders aber die
Aufzucht von Jungvieh), ein extensiveres Wirtschaftssystem darstellt als jedes andere
landwirtschaftliche Wirtschaftssystem; und zum zweiten, daß die Landwirtschaft bei
steigender Bevölkerungszahl und steigenden Preisen nach dem T h ü n e nschen Gesetze zu
immer intensiveren Wirtschaftssystemen übergehen muß. Nämlich von der Vieh- und
Weidewirtschaft zum Getreidebau (natürlich nur soweit Klima und Bodenbeschaffenheit
dies zulassen), vom Getreidebau zum Gemüsebau, zur intensiven Milchwirtschaft
(sogenannten „Abmelkereien“ mit forciertem Futterbau, Stallfütterung und Dungankauf)
und zur sogenannten freien Wirtschaft mit Verkauf von Heu und Stroh, wobei der Kornbau
Nebensache wird. Geht nun aber auf diese Weise die natürliche Entwicklung der
Landwirtschaft, von extensiven zu immer intensiveren Erzeugungssystemen, so folgt daraus:
daß nicht gleichzeitig auch die extensive Wirtschaft, welche in der Viehzucht gegeben ist,
wachsen kann, sondern viel mehr, während die intensiven Systeme zunehmen, die
extensiven abnehmen, beziehungsweise immer weiter hinausrücken müssen. Und ferner
folgt daraus: daß die künstliche Förderung der Viehzucht sich in einem gewissen
grundsätzlichen Gegensatz zum Entwicklungsgang der gesamten Landwirtschaft befinden
muß. Dies wirkt vielleicht auf den ersten Blick befremdlich. Prüfen wir also diesen zunächst
rein theoretischen Gedankengang.
Als logische Folgerung aus den beiden gemachten Voraussetzungen wird jedermann den
eben entwickelten Widerspruch zugeben müssen, der zwischen aller Förderung der
Viehzucht und der natürlichen Entwicklung der Landwirtschaft zu immer intensiveren
Landbausystemen besteht. Ein Zweifel aber an der Richtigkeit der Voraussetzungen ist
theoretisch, gegenüber der T h ü n e n schen Theorie,
1
G u s t a v B r u t z e r : Die Verteuerung der Lebensmittel in Berlin im
Laufe der letzten 30 Jahre und ihre Bedeutung für den Berliner Arbeiterhaushalt,
Leipzig 1912.