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schlicht-innige Dichterwort, das die Natur besingt, das Licht des
Wunders über die Welt ausgegossen, wenn es nur vermag, das
Einzelne und Äußere zurück-, das Ganze und Innere hervortreten
zu lassen. „Tief die Welt verworren schallt, — Oben einsam Rehe
grasen, — Und wir ziehen fort und blasen, — Daß es tausendfach
verhallt.“ In diesen Worten Eichendorffs ist nur die Ruhe des Wal-
des dem Vergänglich-Verworrenen von Welt und Schall schlicht er-
greifend gegenübergestellt, aber damit schon das Bleibende im
Wechsel, das Höhere im Niederen ausgedrückt, der dunkle Glaube
in unserer Brust angerührt. Als ordo ordinans der Natur und des
Lebens muß das Göttliche seinem Sinne nach erscheinen, sobald sein
Wesen überhaupt auch nur gedacht wird; als das Herrschende und
absolut Erste muß daher das religiöse Bewußtsein im menschlichen
Geiste wie im objektiven Geiste der Gesellschaft walten und da-
mit auch dem Sittlichen, Schönen und Wahren der letzte Bestim-
mungsgrund sein. G l a u b e i s t v o r W i s s e n . Das gilt natür-
lich nicht zeitlich (genetisch), nicht da wo Glaube und Wissen stets
beisammen sind, aber wesenhaft. —
Ähnlich wie der Relativismus des logischen Schließens und Be-
weisens nicht entbehrt, trotzdem er die Wahrheit leugnet, so ent-
behrt auch die Entsprechung zum Relativismus, das irreligiöse Be-
wußtsein, nicht der bedingungslosen Übermacht des verborgenen
Religiösen, das sich wie als Anbetung einer „naturgesetzlichen Ent-
wicklungsmechanik“ oder „Auslese der Besten“ oder als verworre-
ner „Pantheismus“ der Lehre von „Kraft und Stoff“, so auch als
tief empfundenes Unglück der eigenen Nichtigkeit äußert. Auch die
irreligiöse und schwächste Form der Religiosität hat noch Macht
genug, jeden Bereich des Lebens zu bestimmen.
V.
Die Bestandteile der Religion
Als Hauptbestandteile jeder Religion sind zu unterscheiden: Er-
stens, das r e l i g i ö s e G r u n d e r l e b n i s , als der mystisch-
metaphysische Kern und Urquell aller Religiosität — gerade dieses
ist es, das die empiristische Soziologie mißachtet, so daß sie nur die
Äußerungsformen des religiösen Erlebnisses zu erfassen vermag,
aber zum Wesentlichen nicht vordringt, wie wir früher schon er-
wogen.