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unmöglich einen von der übrigen Materie isolierten Organismus zur
Basis haben könne; vielmehr: der g e i s t i g e n G l i e d h a f -
t i g k e i t d e s I n d i v i d u u m s i n d e r m e n s c h l i c h e n
G e s e l l s c h a f t
e n t s p r i c h t
e i n e
k ö r p e r l i c h e
G l i e d h a f t i g k e i t d e s L e i b e s i n d e r N a t u r .
Hier haben wir den entscheidenden Punkt gefunden, von wel-
chem aus wir weitergehen können. Zum Verständnisse des Orga-
nismus handelt es sich nicht um die Darstellung, Abspiegelung des
Geistes in ihm, sondern um seine Vermittlerrolle. Wollen wir den
Organismus verstehen, so müssen wir ihn als Weg des Geistes zur
Natur auffassen. Es handelt sich demnach nunmehr um die ganz
bestimmte Frage: Wie die Verbindung des Leibes mit der Welt der
Materie vor sich gehe?
Man versteht, daß die Verbindung keine sozusagen bloß op-
tische sein könne. Würde nämlich unser Geist die Natur mittels
des Organismus bloß äußerlich, wie ein unbeteiligter Zuschauer,
betrachten, wie man etwas mit einem Fernrohr sieht, dann wäre
die ganze Aktion des Geistes, die in der Verkörperung vor sich geht,
vergebens. Er bliebe dann der Natur innerlich fremd, ähnlich etwa
wie ein Lahmgeborener (dem der Kraftsinn mangelt) bei Betrach-
tung eines Gewitters nichts von dem inneren Kraftaufwand der
Natur mitfühlen könnte, wie er ihr z. B. so herrlich in Eichendorffs
Gedicht zugesprochen wird:
Schlag mit den flammigen Flügeln!
Wenn Blitz aus Blitz sich reißt,
Steht wie in Rossesbügeln
So ritterlich mein Geist.
Der Geist muß vielmehr durch den Organismus in das innere
Getriebe der Natur selbst verwickelt werden; der Organismus muß
Anteil nehmen an ihren Prozessen.
Wie geschieht das? Am augenfälligsten durch die stets erneute
Einverleibung und Ausstoßung von Materie in den Organismus.
Daher ist S t o f f w e c h s e l das eigentliche und wahre Zeichen
des organischen Lebens.
Diese Grundtatsache der Einverleibung von Materie in den Or-
ganismus findet übrigens eine bedeutsame Entsprechung im geistigen
und gesellschaftlichen Leben des Menschen, welche hier nicht un-