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er die „Stammbegriffe des Verstandes“, des Denkens, aufzeigen will,
nicht des Gegenstandes, des Seins an sich. Nachdem die zersetzende
Skepsis des Nominalismus und Descartes’ ein naives Ausgehen vom
Gegenstande unmöglich gemacht hatte, war es Kantens Aufgabe,
vom Subjekt aus die Objektivität zu begründen. Er geht von bloßen
Verstandesbegriffen aus mit der Absicht, sie zu ontologischen Be-
griffen zu erheben. Er erreicht sein Ziel allerdings n i c h t . Aber
sein subjektiver Ausgangspunkt, der Verstandesbegriff, ist derart
blendend, daß er seither alles beherrscht. Und in Wahrheit enthält
er denn auch ein unverlierbares Element alles philosophischen Den-
kens in sich.
Gegen die Kategorien des Aristoteles wendet Kant ein, daß sie
mehr oder weniger planlos zusammengestellt seien. Es gelte aber
einen Grundsatz zu finden, nach welchem der Verstand in seinen
Denkweisen (die ja nach Kant zugleich den Gegen- / stand gestal-
ten, bilden) völlig ausgemessen werden könne. Er findet ihn im
logischen Urteil. Das Urteil sei jene Verstandeshandlung, die alle
übrigen in sich enthält. Fasse man daher die Arten des Urteils rich-
tig, so habe man auch die Stammbegriffe des Verstandes. Die fol-
gende Tafel ist das Ergebnis dieser Überlegungen Kantens
1
.
Tafel der Urteile
(1)
Q u a n t i t ä t :
(a)
Allgemeine [Beispiel: Alle S
sind P].
(b)
Besondere oder partikuläre
[einige S sind P],
(c)
Einzelne oder individuelle [ein
S ist P, Bismarck ist ein großer
Mann].
(2)
Q u a l i t ä t :
(a)
Bejahende [S ist P].
(b)
Verneinende [S ist nicht P],
(c)
Unendliche oder limitierende
[S ist ein Nicht-P],
(3)
R e l a t i o n :
(a)
Kategorische [S ist P].
(b)
Hypothetische [wenn S P ist,
ist S’ P’].
Tafel der Kategorien
(1)
Q u a n t i t ä t :
(a)
Einheit.
(b)
Vielheit.
(c)
Allheit.
(2)
Q u a l i t ä t :
(a)
Realität.
(b)
Negation.
(c)
Limitation.
(3)
R e l a t i o n :
(a)
Inhärenz und Subsistenz
(sub-
stantia et accidens).
(b)
Kausalität und Dependenz (Ur-
sache und Wirkung).
1
Kant’s sämtliche Werke, Bd 1: Kritik der reinen Vernunft, 9. Aufl., Leipzig
1906, S.
106
ff. und 95 ff. (B) (= Philosophische Bibliothek, Bd 37). — Die Zu-
sätze in eckiger Klammer stammen von mir.