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transzendentalen Apperzeption ist, die Ausführung wurde in der
verkehrten Richtung versucht. Apperzeption ist als n a c h t r ä g -
l i c h e Vereinheitlichung schon v o r h e r vorhandener Stücke
nicht denkbar; vielmehr: Besonderung, A u s g l i e d e r u n g des
Einen, das logisch am Anfang stehen muß, kann allein ihren Weg
bezeichnen! Diesen Weg versuchte später Fichte.
Wie kommt es, daß in Kants Tafel die Z w e c k k a t e g o r i e
fehlt? Das liegt unseres Erachtens an der zentralen Bedeutung, wel-
che Kant der Kategorie der Ursächlichkeit beimaß. Da sie die Dinge
als „nach einer Regel“, zum Beispiel dem Newtonschen Gesetz, be-
stimmt werden läßt, erlaubt sie also keine Bestimmung nach dem
Zweckzusammenhang mehr. Kant hat aber den Zweckbegriff be-
kanntlich an anderer Stelle mit dem berühmten Begriff des „A 1 s
o b“ wieder eingeführt (der jetzt von Vaihinger gar laienhaft miß-
braucht wurde). Wer die Natur als nach Zwecken bestimmt be-
trachten würde, so lautet sein Gedankengang, ginge fehl, doch ist
dieser Weg als „heuristisches Prinzip“ gestattet, das heißt die Un-
t e r s t e l l u n g „ a l s o b “ die Natur durch Zwecke bestimmt sei,
soll zur Auffindung von ursächlicher Bedingtheit führen. — Doch
ist unseres Erachtens hiergegen Folgendes einzuwenden: Wenn man
die Natur überhaupt so betrachten kann, als ob ein Zweck in ihr
wohnte, so muß auch eine reale Unterlage dieser Annahme beste-
hen. Ich kann zum Beispiel den Menschen nur dann so betrachten,
„als ob“ er schwimmen könnte, wenn in der Tatsache, daß er einen
Körper hat, der schwer ist und Wasser verdrängt, hierfür ein realer
Anhaltspunkt ge- / geben ist. Für einen spiritistischen „Astralleib“
dagegen, der kein Wasser verdrängt, hätte auch die Annahme, „als
ob“ er schwämme, gar keinen Sinn. Das „Als ob“ muß also mehr sein
als eine Unterstellung, denn nur als R e a l p r i n z i p (Kategorie)
kann sie im Wesen des Gegenstandes eine Rechtfertigung finden! —
Wichtiger noch für den Zweckbegriff ist aber die berühmte Kanti-
sche Lehre vom „Primat der praktischen Vernunft“, wonach nicht
das theoretische Erkennen, sondern das Sittliche, das ist das auf
Zwecke gerichtete Streben und Verhalten des Menschen das Ur-
sprüngliche sei. Wenn das nun zutrifft — so muß man schließen —,
dann kann unmöglich innerhalb der theoretischen Betrachtung vom
Zweck abgesehen werden, wie wir ja auch bei Aristoteles sahen,
daß Wesen (Form, Denkinhalt,
λόγος
, ratio) und Zweck notwen-