Z w e i t e r A b s c h n i t t
Ein Blick auf die Geschichte der Kategorienlehre
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Im folgenden soll keine Geschichte der Kategorienlehre geboten
werden, die ja notwendig zugleich eine Geschichte der Philosophie
selbst wäre. Denn „Kategorien“ — vom griechischen kategorein,
ursprünglich anklagen, schon bei Platon aussagen, prädizieren —
sind nicht vereinzelte philosophische Begriffe, sondern mit den
letzten Grundlagen des philosophischen Denkens innig verbunden.
An dieser Stelle muß es genügen, einen kurzen Bescheid über die
wichtigsten Grundauffassungen der Kategorien zu geben.
I. Aristoteles
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Die aristotelische Kategorienlehre gilt jetzt als ein Lehrgut der
griechischen Philosophie, dessen Alter über Platon bis / Pythagoras
hinaufreicht. Bei Aristoteles sind die Kategorien letzte Aussagen,
oberste Gattungen des Seins
(γένη ή οχήματα τής κατηγορίας; κατη γορίαν
τον όντος, γένη των δντων; τα κοινά πρώτα; τα κυρίως οντα).
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Der in Geschichte der Philosophie weniger bewanderte Leser kann diesen
Abschnitt überschlagen, auf S. 50 ff. fortfahren und zuletzt auf diesen Abschnitt
zurückkommen.
S c h r i f t t u m : Adolf Trendelenburg: Geschichte der Kategorienlehre, Ber-
lin 1846 (= Historische Beiträge zur Philosophie, Bd 1). Kuno Fischer: System
der Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre, 2. Auf!., Heidelberg 1865
(gibt einen kurzen Abriß der Geschichte der Kategorienlehre). Oswald Külpe:
Zur Kategorienlehre, in: Sitzungsbericht der bayerischen Akademie der Wissen-
schaften, philosophisch-philologische Klasse, Abhandlung 5, Jg 1915, München
1915 (behandelt die Gegenwart). — Von nichtgeschichtlichen modernen Werken:
Eduard von Hartmanns ausgewählte Werke, Bd 10: Kategorienlehre, Leipzig
1896 (empiristischer Standpunkt).
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Vgl. außer Trendelenburg Otto Apelt: Die Kategorienlehre des Aristoteles,
in: Beiträge zur Geschichte der griechischen Philosophie, Leipzig 1891 (Apelt
rückt Aristoteles zu sehr in die Nähe Kantens. Philologisch ist aber seine Arbeit
von seltener Gründlichkeit).