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Vorstellungen sind mannigfaltig und doch werden sie in unserem
„Ich“ zur Einheit verbunden. Ich nehme zum Beispiel die vielen
Dinge im Zimmer wahr, ich denke viele Gedanken, ich treibe viele
Geschäfte. Zimmer und Geschäft ist m e i n e Vorstellung. Dieses
dabei tätige „ i c h d e n k e“, das alle meine Vorstellungen beglei-
tet, bekunde, daß eine grundlegende „Synthesis“ am Werke ist und
die Einheit meines Bewußtseins verbürgt.
Kant sagt darüber: Anstatt dieser synthetischen Einheit könnte
ja auch „eine Rhapsodie von Wahrnehmungen“ da sein
1 *
. [Bei Ver-
rückten kann dies annähernd zutreffen, gänzlich kann es niemals
der Fall sein.] Dann könnte aber von keinem „durchgängig ver-
knüpften Bewußtsein“ mehr die Rede sein. Erst die Synthesis, die
Zusammenfassung zur Einheit bringt ein einheitliches Bewußtsein
hervor.
Die transzendentale Synthesis, so können wir sagen, zeigt sich
also als die Wurzel aller apriorischen Formen oder Kategorien.
Diese sind nichts anderes als die Grund- und Urwege, die der Ver-
stand einschlägt, um die Einheit des Bewußtseins im einzelnen
durchzuführen: Indem zum Beispiel Einheit, Vielheit, Ursächlich-
keit, Möglichkeit, Wirklichkeit usw. gedacht werden, betätigt sich,
funktioniert gleichsam die transzendentale Apperzeption und damit
erhalten auch die Dinge und Wahrnehmungen erst ihre Bestimmt-
heit. Diesen großen Sinn hat unstreitig die Kategorientafel bei
Kant.
B.
B e u r t e i l u n g
W a s n u n d e n I n h a l t der Kategorientafel selbst anbelangt,
so enthält sie bekanntlich große Mängel. Wir haben schon auf das
Fehlen der Urkategorie (des Apriori) selbst hingewiesen, woraus
sich auch die mangelhafte Gliederung überhaupt ergibt.
Die Kantischen Kategorien sind in Wahrheit keineswegs gleich
ur- / sprünglich, keineswegs gleichgeordnet, wie seine Tafel vor-
täuscht. Dieser Fehler ergab sich für Kant daraus, daß er seine Ein-
teilung nicht aus dem Aufbau des Gegenstandes, sondern aus der
Einteilung der Urteile ableitete. Diese Einteilung ist aber selbst in
1
Kant’s sämtliche Werke, Bd 1: Kritik der reinen Vernunft, 9. Aufl., Leip-
zig 1906, S. 195 (= Philosophische Bibliothek, Bd 37).
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