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[126/127]

II.

Die auslegende oder wesenverleihende Ebenbildlichkeit hat die

Weise der Auseinanderlegung des Sachgehaltes

der Ganzheit in Teilinhalte

Ebenbildlichkeit als Selbstdarstellung der Ganzheit läßt die Frage

entstehen, warum sich diese Selbstdarstellung nicht in einem ge-

nauen Nachbild, gleichsam in einem Abklatsch oder Doppelgänger

vollzieht? Der Grund dafür läßt sich einsichtig verstehen. Es er-

geben sich hier nämlich zwei Bestimmungsstücke an der Ebenbild-

lichkeit:

(1)

daß es zwar die Ganzheit selbst ist, die sich in jedem Teile

darstellt, wodurch das Artgemäße der Teile gesichert, die Fremdheit

der Teile ausgeschlossen ist; aber

(2)

daß sie dies auf m a n n i g f a l t i g e Weise tun muß. Sollen

„Dinge“, soll „Vieles“ überhaupt sein, dann kann Ganzheit nicht

einfach einen A b k l a t s c h , einen Doppelgänger ihrer selbst

geben. Das würde sowohl dem Satze widersprechen: „das Ganze

als solches hat kein Dasein“ — es gibt ja kein einfaches, es gibt nur

ein gegliedertes Ganzes; wie auch dem Satz: „es wird in den Glie-

dern geboren“. Denn wenn ein Doppelgänger der schaffenden Ganz-

heit entstehen würde, dann gäbe es auch / kein gegliedertes Ganzes,

kein Sich-Darstellen in mannigfachen Teilen — keine Welt! Darum

kann „Ebenbildlichkeit“ niemals „Nachbild“ oder „Kleinbild“ be-

deuten, sondern stets eine „Klein w e l t“, stets das, was die Alten

μικρός

κόσμος

nannten. „Ebenbildlichkeit“ heißt nicht einfaches

Doppelgängertum, sondern gleichsam bunter Freundeskreis, nicht

Duplizität, sondern Mikrokosmizität.

Nach der Kategorie der Ebenbildlichkeit enthält jeder Teil das

Ganze in sich — aber nur in begrenzter Weise. Allein dadurch kann

ein ausgegliedertes Ganzes voll innerer Mannigfaltigkeit zustande

kommen; anderenfalls bestünde, wie wir schon sagten, die Welt

aus einem einzigen Doppelgänger des Urganzen, des Schöpfers. Für

diese notwendige Mannigfaltigkeit in der Ausgliederung einige

Beispiele:

Nicht eine einzige Zelle bildet den Organismus, sondern viele „differenzierte“

Zellen, nicht ein einziges Organ, sondern viele Arten davon, zum Beispiel Wurzel,

Stamm, Blatt, Blüte, oder Nervensystem, Muskelsystem, Knochensystem; aber

jede Art von Zellen und jede einzelne Zelle weist gerade deswegen auf alle an-

deren notwendig hin, w e i l j e d e n u r i n i h r e r b e s c h r ä n k t e n