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das Schlachtenbild durch das Toben des Kampfes. Auf solche Weise ist not-

wendig jeder Teil ein Ebenbild des Ganzen. — Die „Wissenschaft“ ist in keinem

ihrer Teile durch etwas bestimmt, was ihrem Wesen fremd wäre, sondern stets

durch dasselbe Konstitutive, das auch im Ganzen herrscht. Nicht die „Chemie

der Tinte“ noch der „Phosphor in der Großhirnrinde“ noch das „schöne Wetter

beim Denken“ sind Bestandteile eines Begriffsgebäudes und bestimmen, ob der

gefaßte Gedanke wahr oder falsch ist; sondern die arteigenen Normen des

Begriffes selbst sind es. Was das Ganze des Begriffswerkes einer Wissenschaft

bestimmt, bestimmt darum auch jeden kleinsten Teil in ihr. „Begriff“ trägt die

Züge der Ganzheit im Kleinsten in sich. Der Begriff ist selbst ein kleines System

von Erkenntnissen (jedes Merkmal, das den Begriff bildet, birgt eine Erkenntnis,

birgt schon ein Urteil). Das Urteil ist selbst wieder ein System von Begriffen.

Alles Einzelne, was im System der Wissenschaft vorkommt, trägt vollkommen

die Züge des Ganzen. — Ebenso ist die Religion in allen ihren Formen wie Kult,

Gebet, nur durch Religiöses bestimmt, durch Glauben, Andacht, Frömmigkeit,

niemals aber durch Wesensfremdes, zum Beispiel „Kalkulation“ (Wirtschaft) oder

„Konstruktion eines neuen Turbinenmodells“ (technische Erfindung).

Ebenso gilt auch; Der W i r k e n d e ist in allen seinen Bestandteilen wir-

kend und daher: Das Gewirkte ist ein Ebenbild des Wirkenden. Man / muß

aber gerade diesen Satz richtig verstehen. Ist die Uhr ein Ebenbild des Uhr-

machers? Sie ist es! aber allerdings nicht des Uhrmachers als eines musikalischen,

sondern als eines zeitmessenden Menschen. Und ebenso ist der Kampf als Ge-

wirktes das Ebenbild des Wirkenden, nämlich dieser als Kämpfer gefaßt; die

Flucht ein Ebenbild des Wirkenden, nämlich als eines Furchtsamen; das Haus

ein Ebenbild des Wirkenden als eines Wohnenden.

Da nach allen diesen Beispielen Sätze gelten wie: Das Organische

ist in allen seinen Bestandteilen organisch; das Gesellschaftliche ist

in allen seinen Bestandteilen gesellschaftlich; das Logische ist in

allen seinen Bestandteilen logisch; das Religiöse ist in allen seinen

Bestandteilen religiös; das Künstlerische ist in allen seinen Bestand-

teilen künstlerisch; das Seelische ist in allen seinen Bestandteilen

seelisch; so leuchtet ein, daß ganz allgemein von allem Ganzheit-

lichen gelte, es sei ausschließlich von seiner eigenen Art und stelle

nur sich selbst in allen seinen Gliedern dar.

Darum vermögen auch die wenigen, nicht alle Gebiete des ganz-

heitlichen Seins umfassenden Beispiele, welche, planmäßig weiter

verfolgt, ein Bild der ganzen Welt entrollen würden, deutlich genug

das Wesen der „Ebenbildlichkeit“ zu zeigen. Notwendig und über-

all, wo Ganzheit ist, müssen die Glieder Fleisch vom Fleische des

Ganzen sein, müssen sie von reiner Art des Ganzen, müssen sie

durch und durch nach der Weise des Ganzen sein und anders können

sie nicht sein.

Der Ebenbildlichkeit zufolge müssen sich darum alle Glieder auf

solche Grundeigenschaften zurückführen lassen, die selbst das We-

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