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Erziehung überhaupt, überall den gleichen Fall, daß die Vergan-

genheit in der Gegenwart noch mitwirkt und auch die Zukunft die-

ser Gegenwart innewohnt, in ihr sich selbst schon schrittweise ver-

wirklicht (der zukünftige Arzt, der sich in der Gegenwart zube-

reitet). Aber auch alle anderen Gebiete des geistigen, gesellschaft-

lichen und organischen Lebens zeigen das gleiche. Der Staatsmann

richtet sein Augenmerk auf die zukünftige Blüte und Sicherheit

des Landes und je mehr er dies tut, je mehr er die Gegenwart durch

die Zukunft bestimmt sein läßt, um so mehr nennen wir ihn einen

„weitausschauenden“ Staatsmann; der Feldherr bedenkt nicht nur

den augenblicklichen Sieg, sondern die später daraus folgende Lage;

der Zunftmeister, der Unternehmer, der einen Betrieb leitet, hat

stets Zukünftiges im Auge, sei es den nächsten Marktgang, seien es

die dauernden, späteren Lebensbedingungen des Unternehmens.

Wenn nun in jeder Gegenwart die Zukunft mit dabei ist (auch die

Vergangenheit, die früher einmal Zukunft war), so ist es die zu-

künftige Ganzheit, die sich zu jeder Zeit durchsetzt! Darum graut

der Esel schon im Mutterleib, und die Eigenmacht (vita propria) hat,

wenn sie nicht zur Selbstvernichtung führen will, nur den Weg,

dieser Zukunft selbst Grund zu machen. Solchermaßen zeigt sich der

Gang der schicksalsmäßig bestimmten Umgliederung nur als eine

Form der E n t s p r e c h u n g i n d e r Z e i t .

/

C . V o r r a n g d e s G a n z e n u n d S c h i c k s a l

Einen tiefen Blick in das Wesen des Schicksals vermittelt endlich

noch die Anwendung des Satzes: „Das Ganze ist vor dem Teil“. Er

besagt, ohne Rücksicht auf die Zeit gedacht, daß das Eigenleben des

Gliedes sich nicht vom Ganzen abkehren könne. Empörung (Rebel-

lion) in diesem Sinne, so sahen wir schon früher, ist daher wesens-

notwendig der Weg zur Selbstvernichtung, zum Nicht-Sein des im

Gebrauch seiner Eigenmacht sich verirrenden Gliedes.

Dasselbe Verhältnis findet im Gang der zeitlichen Ausgliederung

statt: Das v o l l e n d e t e G a n z e i s t l o g i s c h v o r d e m

u n v o l l e n d e t e n . Anders ausgedrückt: Reife ist vor Jugend,

der Baum ist vor dem Bäumchen. Wenn das Ganze überhaupt vor

dem Teil ist, so ist das fertige, vollendete, im Endzustand befindliche