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verlangt eine Ergänzung. Zur Einerleiheit oder Identität mit sich
selbst kommt noch die Selbfremdheit, wie wir sie in der Lehre von
der Rückverbundenheit entwickelten.
Die Rückverbundenheit lehrt uns, daß ein Ding nicht bestehen
könnte, wenn es nur mit sich selbst einerlei wäre: es muß noch ein-
mal Sein haben in einer anderen, höheren Ebene, im rückverbinden-
den oder ausgliedernden Ganzen, dem Ganzen an sich.
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In der ganzheitlichen Kategorienlehre gilt demnach die Identität
wohl als Kategorie, aber nur zusammen mit der Selbfremdheit.
O n t o l o g i s c h gilt die Identität nur zusammen mit der Selb-
fremdheit; f o r m a l l o g i s c h reicht die Identität allein nur
insofern aus, als von der Rückverbundenheit abgesehen wird. Dies
ist insofern möglich, als im Fortgang der Schlußfolgerungen es ge-
nügt, die Begriffe immer als dieselben festzuhalten, um einen richti-
gen Schluß zu erhalten. Alle Schlußfehler beruhen zuletzt darauf,
daß die Begriffe und ihre Merkmale nicht vollkommen festgehalten,
nicht genau als dieselben gesetzt werden. Aber jeder Begriff ist doch
auch formallogisch gesehen Glied eines höheren Begriffes und in die-
sem muß er rückverbunden sein, also selbst wieder Selbfremdheit
haben.
Auch die Frage der „Identitätsphilosophie“ Schellings, welche die Identität
von Geist und Natur, Subjekt und Objekt im Absoluten behauptet, ist nicht durch
den Begriff der Identität allein (der zur leeren „Indifferenz“ führt), sondern
nur durch die Verbindung der Identität und Selbfremdheit zu lösen. Das Ver-
hältnis des Objektes zum Subjekt ist zuletzt das von Ausgegliedertem und
Ausgliederndem. Der e i n f a c h e I d e n t i t ä t s g e d a n k e i s t d a b e i
u n z u r e i c h e n d u n d m ü ß t e z u l e t z t z u m B e g r i f f d e r E m a -
n a t i o n f ü h r e n . Ganzheitlich gesehen aber geht das Ausgliedernde nicht
als s o l c h e s in das Ausgegliederte ein, es emaniert also nicht, das Ausge-
gliederte ist nicht konkret Fleisch vom Fleische des Ausgliedernden. Das Ansich des
Ausgliedernden bleibt bei sich, bleibt transzendent, ist daher mehr als bloße
„Indifferenz“ (Schelling) des ausgegliederten Subjektiven und Objektiven; das
Ausgegliederte ist diesseitig und hat zu seinem eigenen noch ein selbfremdes Sein.
Damit ist abermals der Pantheismus abgewiesen. Das Glied ist nicht wesens-
gleich mit dem Ausgliedernden, der Ganzheit an sich
1
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2. Der S a t z d e s W i d e r s p r u c h e s . D e r S a t z d e s
a u s g e s c h l o s s e n e n D r i t t e n
Nach dem Satz des Widerspruches kann einem Ding in derselben
Hinsicht nicht zugleich dasselbe Merkmal zukommen und nicht
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Über „Identität“ und „Ebenbildlichkeit“ siehe oben S. 112 f.