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F.
S e i n u n d W e r d e n , B e h a r r u n g u n d
V e r ä n d e r u n g
Endlich fällt hier auch Licht auf das so unendlich schwierige Ver-
hältnis von Sein und Werden, Beharrung und Veränderung. Der
scheinbar nicht zu schlichtende Gegensatz von Parmenides, der nur
beharrendes Sein zuläßt, und Heraklit, der nur Werden kennt, er ist
nun in Wahrheit zu schlichten.
Der Begriff des Seins kann mit dem der Tätigkeit, der Begriff
des beisichbleibenden Ansich mit dem des veränderlichen Werdens
vereinbart werden: Dies ist im Begriff der Rücknahme und Neu-
ausgliederung erreicht, durch den Selbgleichheit und Selbfremdheit
verbunden wird. Alles Sein ist Fluß der Ausgliederung und Rück-
nahme, des Entstehens und Vergehens auf der Ebene des selbgleichen
Seins; es ist Beständigkeit des Rückverbindens auf der Ebene des
selbfremden Seins: Das selbfremde, ausgliedernde Sein bleibt bei
sich selbst, beharrt trotz der Veränderung des ausgegliederten, selb-
gleichen Seins.
Hiermit ist der Begriff von Beisichbleiben und Anderheit, von
Beharrung und Tätigkeit widerspruchslos verbunden.
Dies gilt von allem ausgegliederten Sein und seiner Rückverbin-
dung, auch vom sinnlich-stofflichen. Vom geistigen Sein gilt noch
dazu: daß die ausgliedernde Selbstsetzung des rückverbindenden
Seins das Gesetzte sich zugleich entgegensetzt. Ihre / eigene Aktion
wird ihr zum Gegenstand, wie Fichte lehrte. Dies ist ja das Wesen
des Wissens, daß uns das Gedachte — unsere eigene Aktion des
Denkens — zugleich als unser Gegenstand gegenübertritt. Dadurch
sind wir Subjekt-Objekt; Subjekt: das sich Setzende, Objekt: die
als Gegensetzung gefaßte Setzung, das Nicht-Ich, wie Fichte sagte,
also Subjekt-Objekt, Ich-Gegenstand in Einem (davor steht noch
die Gezweiung).
Überall wo die ausgliedernden Ganzheiten in der Setzung diese
Selbstentgegensetzung vollziehen können, ist Geist; wo sie sie nicht
vollziehen können, ist Natur.
Für die ganzheitliche Kategorienlehre ist es daher nicht richtig,
„D e n k e n u n d S e i n “ einander entgegenzusetzen, denn Den-
ken ist ihr selbst Sein, und zwar höheres Sein als das sinnliche. Rich-
tiger ist es, der Beschaffenheit nach das geistige Sein dem sinnlichen