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oder endlich um eine Verstandesregel (Kant) handelt; ob mit einem
Wort sensualistische, positivistische oder sogar apriorische Fassung
der Regelmäßigkeit in der Aufeinanderfolge zugrunde gelegt wird
— immer ist es ein solcher Begriff des Gegenstandes, w e l c h e r
m e c h a n i s t i s c h e , q u a n t i t a t i v e F o r s c h u n g s v e r -
f a h r e n b e d i n g t , solche die n i c h t eine sinnvolle Verbun-
denheit des Erfahrungsablaufes annehmen und daher nach dem Satz:
„Der Teil ist vor dem Ganzen“, verfahren
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.
Es ist dann auch gleichgültig, ob durch eine „metaphysische An-
nahme“ die Kausalität bloß als eine Äußerungsform einer „tran-
szendenten Finalität“ oder eines anderen metaphysischen Vorganges
gefaßt wird, wie zum Beispiel bei Eduard von Hartmann, denn in
allen Wissenschaften wird dann trotzdem der Kausalbegriff, wird
die Vorstellung des Mechanischen verfahrenmäßig herrschen.
Man darf die Ursachenwissenschaftler den Skeptikern vergleichen.
Diesen nämlich, denen nichts gewiß ist, gilt doch der Zweifel als
gewiß. Ebenso gilt den Verfechtern der ursächlichen Auffassung das
Zerrissene und Zerstückte als Zusammenhang — nicht als zusam-
menhanglos, nicht als ein „Für-Sich“!
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In m e t h o d i s c h e r H i n s i c h t , das heißt in der Art, wie der Ursachen-
begriff in den einzelnen Wissenschaften Gestalt annimmt, Verfahren und Geist
der Forschung bestimmt, ist er zuletzt überall durch folgende Merkmale ge-
kennzeichnet:
(1) Durch die Q u a n t i f i z i e r u n g und Messung der Erscheinungen, die
infolge Zurückführung der Qualität auf Quantität überall angestrebt wird. Die
mathematische „exakte“ Gestalt des Naturgesetzes, die Fassung eines Erschei-
nungsgebietes in Gleichungen wird daher zum methodisch notwendigen Ideal
aller ursächlichen Wissenschaft.
(z) Durch die M e c h a n i s i e r u n g , worunter wir den grundsätzlichen
Ausschluß jedes sinnvollen Verhältnisses zwischen den Erscheinungen verstehen.
Jeder Zweck, jedes seelische, willensartige oder sonstige Band zwischen den
Erscheinungen wird verneint. — Die Mechanisierung ist immer schon in der
Quantifizierung gegeben, sie kann aber auch ohne Quantifizierung erreicht wer-
den, wie das Beispiel der „Assoziationsmechanik“ der Vorstellungen beweist.
(3) Durch A t o m i s i e r u n g . Quantifizierung drängt notwendig zur Atomi-
sierung. Denn die quantifizierende Erklärung besteht ja eben darin, Qualität in
Quantität aufzulösen = Qualität aus quantitativen Umwandlungen zu erklären.
Geht man diesen Weg folgerichtig weiter, so gelangt man zur Annahme letzter
Quanten, aus denen allein schließlich alle Veränderungen abzuleiten sind — den
Atomen! Ob darum die einfachen Atome Demokrits oder die komplizierten der
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Eine genaue Nachweisung der Lehrgeschichte siehe bei Else Wentscher:
Geschichte des Kausalproblems in der neueren Philosophie, Leipzig 1921.