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schaft unzweifelhaft liegt, soll nicht verkannt und verkleinert wer-

den. Und auch die Nützlichkeit der Erkenntnisse, die sie enthält,

muß für das moderne Leben hervorgehoben werden. Eines ist aber

die Frage der Nützlichkeit und erreichter Ziele, ein anderes die

Würde echter, auf Ganzheit und Wesen gehender Wissenschaft.

Eine solche Würde kommt ihr heute nicht zu.

Die modernen Geisteswissenschaften, die unter den ursächlichen

Naturwissenschaften aufgewachsen sind und sich nun plötzlich selbst

erkennen, gleichen dem Schwan, der unter Enten aufgewachsen,

plötzlich seine edlere Natur entdeckt, sich selbst erkennt und die-

jenigen, die er bisher für Brüder hielt, nun nicht mehr als die Sei-

nen anerkennen darf.

Wenn wir die Kausalwissenschaften als große Buchhaltung der

Natur bezeichneten, so soll das keine scharfe Phrase sein, sondern

eine wesensmäßige und eine verfahrenmäßige Verschiedenheit ge-

genüber den ganzheitlichen, besonders den Geisteswissenschaften

bezeichnen. Diese Natur-Kunde geht notwendig vom Vorher zum

Nachher, von Stück zu Stück, sie ist ein Pfad des Tales, sie beginnt

im Tal und bleibt im Tal. Denn sie will grundsätzlich die Dinge

nur als äußere und einzelne betrachten. Die ganzheitlichen Wissen-

schaften drängt es notwendig von den gegebenen Ganzheiten zu

den sie umfassenden höheren Ganzheiten, sie sind ein Pfad nach auf-

wärts. Während darum die Naturwissenschaften so, wie sie jetzt

verstanden und wertgehalten werden, immer und überall nüchtern,

das will sagen, als Vernichter des Metaphysischen gewirkt haben, ist

die Ganzheitslehre gezwungen, bei dem einmal Gegebenen nicht

stehenzubleiben. Ihre Analyse führt dem Wesen nach zum Höhe-

ren, Befassenden, sie drängt nach aufwärts. Sie muß das Höhere

schon mit dem Gegebenen anerkennen. Und so gelangt sie / schließ-

lich zum Höchsten. Sie hat den Drang in sich, vom Wissen weiter-

zustreben zur Weisheit.

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Über die „geschlossene Naturkausalität“ und die „Wechselwirkung“ zwi-

schen Seele und Leib siehe den folgenden Abschnitt, S. 321 ff. Ein Licht auf das

Ursächlichkeitsverhältnis wirft auch die Erkenntnis des Verhältnisses der Ganz-

heiten zueinander, siehe unten S. 329 ff.