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der vollkommenen Gezweiung keine grundsätzlichen Verneinun-

gen, keine Gegensätze nach Art von — und +, sondern bloß solche

Verschiedenheiten, wie sie sich aus der organischen Ungleichheit

und aus der Entsprechung ergeben. Gegensätze ergeben sich erst im

Falle der Unvollkommenheit (Krankheit, Verbrechen und so fort).

Also auch hier wieder die völlige Freiheit unseres Verfahrens ge-

genüber der Wirklichkeit und Erfahrung, während die dialektische

Methode trotz des Kerns von Wahrheit, der in ihr steckt, an der

Enge, an der geringen Aufnahmefähigkeit von empirischer Mannig-

faltigkeit leidet und daran zuletzt auch scheitern mußte.

Auch die Unvollkommenheit der Reihenfolge endlich ist im Be-

griff der Gezweiung überwunden. Die Reihe hat etwas Mechani-

sches, unaufhörlich Fortgehendes und etwas Zeitliches an sich.

Trotzdem die dialektische Methode dieses Bestimmungsstück auszu-

schalten trachtet — der dialektische Aufbau der Welt in Schellings

und Hegels Naturphilosophie war zeitlos gedacht, ferner spricht

Hegel in der Einleitung zur Logik von der Dialektik als einem

„unendlichen Kreis“ —, wirkte die Reihe immer wieder störend,

nämlich als Zeit setzend, wodurch der Entwicklungsbegriff der deut-

schen klassischen Philosophie, der im Grunde rein systematisch ge-

meint war, schillernd wurde und einen zeit- / lichen Einschlag

erhielt. Der Begriff der Gezweiung ist dagegen zeitlos, denn sein

Schema ist nicht die Reihe, sondern die Ausgliederung aus einer

Mitte, nicht das Nacheinander, sondern das Ineinander und Für-

einander der Glieder. Die rein systematische Ausgliederung und

die zeitlich-genetisch gedachte Umgliederung scheiden sich nun

von selber.

Das Verfahren der Gezweiung hat also zwar das Schema der

Dreizahl, erfaßt aber nicht den bloßen Gegensatz, sondern die or-

ganische Entsprechung und die gemeinsame Mitte, ferner nicht die

bloße Reihe, sondern die Gliederung, den Stufenbau und die Mitte-

wendigkeit der Teile; sie trennt endlich die reine oder systema-

tische Ausgliederung von der entfaltenden Umgliederung in der

Zeit und überwindet hier wie dort alles mechanisch Konstruierende

durch tatsachentreue Analysis der Ausgliederungs- und Umgliede-

rungsordnung

1

.

1

Vgl. auch oben S. 39 die Bemerkung über die Entgegensetzung bei Fichte.