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S e c h s t e r A b s c h n i t t

Der Gottesbeweis aus dem Begriff der Ganzheit

Seit Kant die Gottesbeweise prüfte und mit Unrecht zu leicht

befand, sagt man wohl, es gebe überhaupt keine Beweise für das

Dasein Gottes, denn dieses Dasein sei die Voraussetzung alles Be-

weisens wie alles Seins; diese Voraussetzung müsse angenommen

oder geglaubt, logisch bewiesen werden könne sie nicht! Es geht

aber hier so, wie es immer zu gehen pflegt, wenn sich der Verstand

ausschließlich auf das rein logische oder richtiger logistische Feld

begibt. Die Klugen überbieten sich in Spitzfindigkeiten, so daß sie

den Boden unter den Füßen verlieren. Es kann wohl kaum ein

traurigeres Zeichen für ein Zeitalter geben, als wenn es nach Got-

tesbeweisen erst suchen muß und diese nicht weit sicherer hat als das

Fallgesetz oder den / Entropiesatz, denn dann ist nicht nur die

innere Stimme stumm, sondern auch das Wissen unwissend, weil

äußerlich geworden

1

.

Die Grundzüge des Seins bieten dem Wissen einen vollgültigen

Beweis des Daseins Gottes.

Wäre dem nicht so, dann müßte das Undenkbare denkbar sein,

nämlich, daß es ein Werk geben könne, das nicht von seinem Mei-

ster Zeugnis ablegte. Die empiristisch-kausale Kategorienlehre ist

allerdings unvermögend, dieses Selbstverständliche zu erklären. Aus

unserer Lehre von den Seinsweisen ergibt sich dagegen der Satz:

Jede Ganzheit ist selbst Glied; jedes Glied weist auf eine höhere

Ganzheit hin und zuletzt auf Gott.

* 3

1

Leider ist gerade auch in diesem Punkt Kant noch der tragische Vertreter

der Aufklärung und hat von überlegenen Philosophen, Fichte, Schelling, Hegel

und Baader, seine Berichtigung erfahren müssen. Man vergleiche Hegels kurze,

ins Herz treffende Gegenbemerkungen über Kants Kritik des ontologischen Got-

tesbeweises in seinem Werk: Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften,

3. Aufl., Heidelberg 1830, § 51; Ausgabe von Georg Lasson, 2

.

Aufl., Leipzig

19059

(= Philosophische Bibliothek, Bd 33).