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Primär aber geht Spann von dem Gegensatz „zweier Verfahren“

aus. Er schreibt, daß es ihm zwar anfangs noch unklar war, „daß

der Individualismus auf Atomismus, Mechanismus und Ursächlich-

keit hindränge, der Universalismus auf Ersatz der Ursächlichkeit

und des Mechanischen durch sinnvolle Ganzheit und Gliedhaftig-

keit“. Je mehr er sich aber „in die lebendige Fülle des universalisti-

schen Gedankens vertiefte und zugleich dem oben angeführten Ge-

gensatz von genetischem und Leistungsbegriff in seinen methodi-

schen Folgerungen nachging“, um so mehr verdichteten sich seine

Erkenntnisse in einem grundlegenden Gedankengang, bei dem es

sich zuletzt um den Gegensatz eines am Begriff der „Zusammenset-

zung“ und eines am Begriff der als „innere Einheit“ verstandenen

Ganzheit orientierten Denkens handelt. In seinem Sinne ergab es

sich für Spann „immer unabweislicher: daß der Universalismus jede

Ursächlichkeit ausschließe“. Und hier handelt es sich nun tatsächlich

um fundamental-philosophisch grundlegende und unabweisbare

Fragen.

Wir wollen diese Hinweise an dem Beispiel Leibnizens erläutern.

Dieser große Denker unterschied — von der Naturphilosophie sei-

ner Zeit ausgehend — von dem im Sinne des philosophischen Ato-

mismus gedachten Atom das „formale“ Atom, das er im Sinne der

aristotelischen Tradition ganzheitlich und universalistisch dachte.

Nur dieses letztere hat für Leibniz fundamentalphilosophische Be-

deutung. In seinem Rückgriff auf Aristoteles und in dem folgenden

Vorgriff auf Hegel und andere spätere Denker zeigt es sich, daß

diese Thematik eine jener Fragen formuliert, die für die ganze euro-

päische Tradition des Denkens bestimmend gewesen sind. Der von

Spann anerkannte Philosoph Kuno Fischer hat unsere Problematik

auf die idealtypischen Gegensätze: „Grundstoff und Grundform“

1

gebracht, indem er ausführt: „Worin besteht das Wesen der Dinge?

Die Dinge in der Natur erscheinen als bestehend in Stoff und Form,

als geformte und geordnete Materien. So sind die ersten Fragen,

welche die Philosophie aufwirft: was ist der Grund der Dinge in

Rücksicht ihres Stoffs? Was ist der Grund der Dinge in Rücksicht

ihrer Form? Die erste Frage geht auf die Weltmaterie, die zweite

auf die Weltordnung. Im ersten Fall wird das Weltprinzip bestimmt

1

Kuno Fischer: Philosophische Schriften, Bd 6: System der Logik und Meta-

physik oder Wissenschaftslehre, 3. Aufl., Heidelberg 1909, § 12.