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als Grundstoff (Element), im zweiten als Grundform (Harmonie):
dort als stoffgebundenes, hier als formgebendes (ordnendes) Wesen.“
Betrachten wir den herausgestellten Gegensatz näher, indem wir
der terminologischen Abkürzung wegen voneinander unterschei-
den das aus Elementen äußerlich zusammengesetzte und das in sich
zentrierte, ,,insichvermittelte“ Seiende. Ein bloß äußerlich Zusam-
mengesetztes erscheint als ein Produkt des Zufalls, das heißt als das
Resultat eines Geschehens, in dem sich nicht ein insichvermitteltes
Ganzes im Zusammenhang mit ihm zwar äußerlichen, aber affinen
Bezügen verwirklicht. Es ist nun ein durchaus sinnvoller Gedanke,
den Versuch zu machen, alles Physische, das sich als räumlich ausge-
dehnt und insofern auch „teilbar“ vorfindet, daraufhin zu unter-
suchen, ob es sich in letzte — das heißt nicht mehr weiter teilbare
(„atome“) — elementare Einheiten zerlegen und aus ihnen in der
jeweils antreffbaren Erscheinungsweise erklären lasse. Im Sinne un-
serer Fragestellung können wir jetzt sagen, daß wir nur dort von
zufälligem Geschehen sprechen können, wo ein aus elementaren
Einheiten äußerlich (das heißt nicht als insichvermittelte Einheit
und Ganzheit) Zusammengesetztes anzutreffen ist, das in seiner
Zusammengesetztheit als gesetzmäßiges Produkt jener elementaren
Einheiten begreifbar ist. Was immer also in Erscheinung treten mag,
ist — unbeschadet weiterer möglicher Differenzierungen — entwe-
der insichvermittelte oder nur äußerlich zusammengesetzte Einheit,
wobei die letztere im Grunde lediglich durch die jeweiligen Raum-
grenzen zu etwas in seiner Art individuell Erscheinendem wird.
Wir erkennen aus diesen Ableitungen nebenbei noch, daß für das
sogenannte „principium individuationis“ die bloß räumlich charak-
terisierte Materie nicht zureichen kann
1
, da wir sonst individuell
erscheinende insichvermittelte Einheiten von den bloß zusammen-
gesetzten Einheiten nicht unterscheiden könnten. Freilich ist eine
solche lediglich räumlich charakterisierte „Materie“, in der wie bei
Descartes der Tendenz nach Physik und Geometrie zusammenfal-
len müßten, nicht anzutreffen. An ihr wäre ja auch das Suchen nach
atomen Elementen sinnlos, weil an einer sich bloß räumlich erstrek-
kenden, völlig strukturlosen Materie ein nicht weiterhin teilbares,
„letztes“ Materieelement undenkbar ist. Die nur durch „Ausdeh-
1
Siehe oben S. 352 f.