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teilnehmen zu lassen, trotz Entnationalisierung von Schule und Amt

meist äußerst langsam vollziehbar ist. Hierfür bieten ein gutes Beispiel die

tschechischen Bauern Österreichs während der josefinischen und der

folgenden Periode; gegenwärtig die schwäbischen, slowakischen,

rumänischen, serbischen Bauern in Ungarn, deren in die Städte

abwandernden Bevölkerungsüberschuß und Intelligenz man wohl

magyarisieren konnte, die aber selber nur sehr schwer zu erfassen sind.

Wenn dagegen bei den Siebenbürger Sachsen auch die abwandernde

Bevölkerung und Intelligenz nicht magyarisierbar ist, so liegt der Grund

offensichtlich in der geistigen Geschlossenheit dieser Gruppe, die durch

ihre protestantische Religion, feste Tradition und eine die Umgebung

überragende Kultur alle Glieder innig an sich schließt.

Zieht man aus dem Mangel an innerer Einheit der nationalen

Gemeinschaft, der sich sowohl in bezug auf ihren geistigen Inhalt, wie auf

das Maß der Verbundenheit ihrer einzelnen Glieder ergab, die Folgerung,

so ergibt sich eine so weitgehende Schichtung und bloß stufenweise

Verbindung, daß man geradezu sagen kann: jede Nation besteht aus einer

Anzahl von geistigen Teilgruppen, Teilnationen. Zunächst in bezug auf

den Inhalt der geistigen Gemeinschaft: Denken wir im Bereiche der

Deutschen an die Bajuwaren, Schwaben (Alemannen), Niedersachsen,

Rhein- und Mainfranken, Ostelbier, so haben wir geistige Gemeinschaften

vor uns, deren hohe Eigenart (man denke an die musikalische Kultur der

Bajuwaren, die Verstandeskultur der Schwaben, die Staatskultur der

Preußen, die ethische der Niedersachsen) offen zutage liegt, während

zugleich die höhere Einheit des Deutschtums, die alle diese Sonderkreise

verbindet, nicht geleugnet werden: Daß G o e t h e ein Franke, H e g e l

Schwabe, N o v a l i s Thüringer, M e i s t e r E c k e h a r t Thüringer

waren, ist uns gar nicht bewußt. Die Grundzüge der deutschen Kultur sind

also nicht Stammeseigenheit, sondern ganz und gar gemeinsam. Noch

deutlicher wird dieser graduelle Charakter der Nation an der deutschen

Schweiz. Daß deren Bevölkerung heute nicht zur deutschen Nation

gehöre, wäre gewiß verfehlt zu behaupten und widerspräche bekanntlich

den Anschauungen gerade ihrer bedeutendsten Männer, z. B.

G o t t f r i e d K e l l e r s , K o n r a d F e r d i n a n d M e y e r s und

anderen — trotzdem in Wahrheit der größere Teil der Bevölkerung sich

als