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[XXVI/XXVII]
im seichten der Alltäglichkeit, der bloßen Sinnlichkeit. Wenn wir
überall strengste Theorie gesucht haben, so hoffen wir doch, nicht in
jene unfruchtbare Wortgelehrsamkeit verfallen zu sein, die den
heute herrschenden Schulen der Neukantianer und Phänomenologen
großenteils eigen ist.
Befremdlich werden in der heutigen Zeit manche Teile des Buches
wirken, vor andern die Gottesbeweise. Gerade sie aber durften nicht
wegbleiben. Denn in ihnen zeigt sich, daß bei einer anderen Auf-
fassung, einer anderen Grundlegung als jener nach mechanischer
Ursächlichkeit, daß bei einer richtigen Analyse der Wirklichkeit
und einer richtigen Auffassung des Wesens des Begriffes, der Weg
von der Philosophie zur Religion wieder offensteht.
jedes echt idealistische Begriffsgebäude der Philosophie gipfelt
im Gottesbegriffe. So wenig Verständnis ich heute dafür erwarten
kann, so durfte ich diesen Schritt doch nicht unterlassen. Denn erst
er klärt ganz das Verhältnis zwischen Wissen und Glauben. —
In äußerer Beziehung sei noch bemerkt, daß das Buch aus Vorle-
sungen, die der Verfasser mehrere Semester hindurch über sozio-
logische Kategorienlehre und Gesellschaftsphilosophie hielt, hervor-
ging. Wer Gesellschafts- und Wirtschaftslehre treibt, muß sich über
die philosophischen Grundlagen Rechenschaft geben und wird zur
Gesellschaftsphilosophie geführt; wer diese treibt, muß die Grund-
lagen im ganzen Begriffsgebäude der Philosophie suchen. Dies war
der einfache äußere Weg meines Buches. — Auf neueres Schrifttum
konnte ich nur ausnahmsweise eingehen. Das hätte, wie jeder zu-
geben wird, / ins Uferlose geführt. Die Angabe der alten Quellen
war dagegen um so nötiger, je mehr sie heute für die meisten ver-
schüttet sind. Darum mußten Platon, Aristoteles, die Scholastik und
der deutsche Idealismus überall zu Worte kommen und mithelfen,
den uralten und immer neuen Schatz der Weisheit zu heben.
In der L a h n
bei Vordernberg, Steiermark, im Herbst 1927.
Othmar Spann