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E r s t e r A b s c h n i t t

Die Fragen und Denkaufgaben im Begriffe des Seins

I.

Lehrgeschichtlicher Überblick

A.

Das S e i n a n s i c h

In der alten idealistischen Philosophie wird der Begriff des Seins

unter der Voraussetzung bestimmt, daß das Sein „an sich“ besteht,

daß es auch unabhängig vom Denkenden, also auch dann ist, wenn es

nicht gedacht wird. Es ist dies die sogenannte übersubjektive, objek-

tive oder ontologische Auffassung des Seins. Die ontologische Philo-

sophie untersucht zuerst das Sein und dann erst die Stellung des

Ichs im Sein. Das bedeutet allerdings nicht, daß für diese Lehre

nicht auch das Denken selbst ein Seiendes wäre. Im Gegenteile, das

Denken ist ihr das vornehmste, der denkende Geist das führende

Seiende, so sehr, daß nur das Denkbare auch wirklich ist, hingegen

das, was nicht widerspruchslos gedacht werden kann, auch nicht

ist. Und darum kommt es zuletzt auf diesem Standpunkte, den auch

wir einnehmen, dazu, daß die Denklehre oder Logik zugleich die

Wesensbestimmungen des Seins enthält, daß sie zugleich auch Seins-

lehre oder Ontologie ist (Vedantalehre, Eleaten, Platon, Aristo-

teles, Scholastik, Schelling, Hegel, Baader).

In die europäische Philosophie tritt der Seinsbegriff mit einer

sich schroff widersprechenden Doppelgestalt ein. Die Eleaten nah-

men das übersubjektive Sein als wandellos in sich selbst ruhend an;

Heraklit faßte nur die Veränderung, das / Werden ins Auge — ein

Widerspruch, der alle folgende Philosophie beschäftigt. Diesen Wi-

derspruch zwischen dem Begriffe des Werdens und des Seins faßten

die Sophisten als unheilbar auf, übertrugen ihn auf die Erkenntnis

und leugneten daher die Möglichkeit der Erkenntnis, die Möglich-

keit der Logik. Platon suchte durch den Begriff des wahrhaften

Seins (des όντως όν

),

welches er in der „Idee“ verwirklicht fand,

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