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ist, ist nicht rot. Als grün ist es nicht-seiend in bezug auf rot, es ist
nicht-rot, nicht-schwarz und so fort, es ist: verhältnismäßig nicht-
seiend, aber kein absolutes Nichts). Gegenüber den Eleaten ergibt
sich dann: Nur das Nichts-Seiende ist nicht, das Andersseiende oder
das verhältnismäßig nicht Seiende ist.
Aristoteles hatte für diese Denkaufgabe in seinem Begriffe der
einwohnenden (immanenten) „Form“ noch weitere Voraussetzun-
gen. Da diese „Form“ nur Dasein hat, nur voll wirklich ist, wenn sie
in einer Materie erscheint, so konnte er jene Einsicht Platons, daß
ein Nicht-Sein noch kein volles Nichts-Sein bedeutet, weiterführen
zu der Lehre: daß das noch nicht Wirkliche doch vorher auch schon
sein muß, nämlich als M ö g l i c h e s . Es ist dies der tiefsinnige
Lehrbegriff der Möglichkeit und Wirklichkeit, der die erstere als
Vermögen
(
δύναμις
,
potentia) vom wirksamen Dasein, oder der
Wirklichkeit
(
ενέργεια
, Aktualität) unterscheidet.
Das „Werden“ geschieht nach Aristoteles, wie schon erwähnt,
durch Veränderung
(
χίνηοις
),
welche aus der Möglichkeit in die
Wirklichkeit überführt. „Werden“ ist ein Erscheinen der Form an
einer Materie; Werden ist die in Verwirklichung be- / griffene
Möglichkeit (Potenz,
δύναμις
).
Wesentlich ist aber hierbei: Dazu,
daß ein Mögliches wirklich werde, bedarf es stets schon eines vor-
handenen Wirklichen (ein Pferd wird nur durch ein wirkliches Pferd
gezeugt). Daraus folgt der grundlegende Satz der aristotelischen und
später der scholastischen Ontologie: Wirkliches wird nur aus Wirk-
lichem, das Wirkliche ist vor dem Möglichen.
Mit diesem Satze werden wir uns später noch ausführlicher zu
beschäftigen haben
1
.
Die V o l l w i r k l i c h k e i t im aristotelischen Sinne
(
ένέργεια,
έντελέχεια
)
ist nur dann vorhanden, wenn Form und Stoff beisammen sind, wenn die Form
dem Stoffe innewohnt; dagegen ist in der Möglichkeit eine l e i d e n d e M ö g -
l i c h k e i t (Beispiel: Aus dem Marmorblock — Materie — kann eine Säule
werden, die Frucht kann zur Speise werden) zu unterscheiden von der t ä t i -
g e n M ö g l i c h k e i t (Beispiel: der Künstler kann die Form der Bildsäule
erschaffen, wobei der schaffende Künstler tätig, der verwendete Stoff der Bild-
säule erleidend ist). Dieser Unterschied von erleidender und tätiger Möglichkeit
ist von Aristoteles gelegentlich gemacht, aber nicht immer festgehalten worden
2
.
1
Siehe unten S. 89 ff.
2
Aristoteles: Metaphysik, IX, 1—6, V, 12; De generatione, I, 3, 317 b, 23. —
Weitere Nachweise für die ganze obige Darstellung siehe unten S. 89 ff., 96 ff.
und Sechstes Buch, Ideenlehre.