Z w e i t e r A b s c h n i t t
Kategorienlehre
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Rein begrifflich könnte es scheinen, als müßten die Kategorien
vom Sein abgeleitet werden. Es gibt Begriffsgebäude, in denen dies
versucht wurde. So bei Hegel, wo der Ausgangspunkt das leere Sein
ist; so bei Fichte, wo der Ausgangspunkt das Setzen des Ich ist, das
gleichsam der Urquell des Seins wäre. Aber in beiden Fällen glückte
die Durchführung nicht und, was noch entscheidender ist, es wurde
überall mehr vorausgesetzt, als der bloße Ausgangspunkt sagt. Bei
Hegel war nur scheinbar der Ausgangspunkt das leere Sein, denn
was sollte man mit einem solchen anfangen?, wo wäre in ihm die
Möglichkeit, daraus etwas abzuleiten oder in dessen innerer (dialek-
tischer) „Selbstbewegung“ etwas zu unterscheiden? Der wahre Aus-
gangspunkt war schon das Absolute mit seiner Selbstbewegung, zu
welchem sich das leere Sein erst stufenweise als zu seinem Ziele be-
stimmen sollte. Ähnlich bei Fichte, wo sich das nackte „Setzen“ zu
Setzungs w e i s e n oder Kategorien bestimmen sollte. Vergeblich!
Aus dem bloßen „Sein“ ist weder das Kategoriengebäude abzuleiten,
wie Fichte versuchte, noch weniger der Inhalt der Welt, wie Hegel
vermeinte.
Nur der gegenteilige Weg ist möglich. Aus der Erkenntnis der
Welt schöpfen wir die Erkenntnis der Kategorien oder Urweisen
des Seins, diese erst führen zum Begriffe des Seins. / Das Sein kann
nur auf Grund seiner Kategorien erkannt und bestimmt werden.
Denn nur kategorial bestimmtes Sein ist dem Denken gegeben.
Daher auch die enge Verbindung der Kategorienlehre mit der Ver-
fahrenlehre. Die Kategorien können nur aus dem jeweiligen Wissen
von der Welt geschöpft werden, die Kategorienlehre schöpft daher
aus den jeweiligen tätig geübten Verfahren der Wissenschaften und
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Wer mit der vom Verfasser an anderer Stelle entwickelten Kategorienlehre
bereits bekannt ist, kann diesen Abschnitt überschlagen und auf S. 47 fortfahren.