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Dieser Gedanke ist als eine materialistische Verirrung aufs

schärfste zurückzuweisen! Es ist die Weise der Ganzheit, daß sie die

von ihr gesetzten Glieder innerlich niemals vollkommen aus sich

„entläßt“, daß sie diese, es sei in welcher Weise immer, notwendig in

sich b e f a ß t

1

. Hier kommen wir zu einer weiteren grundlegen-

den Bestimmung des Schaffens.

Alles Schaffen ist ein Schaffen aus dem Nichts und ein Befassen

des Geschaffenen im Schöpfer (3).

Dieses „Befassen“ ist unentbehrlich und bedeutet nichts weniger

als: die Notwendigkeit eines fortwährenden Neu- / Schaffens des

schon einmal Geschaffenen. Und zwar in folgendem Sinne: Gedanke

und Wort verbleiben im Denker und Sprecher b e f a ß t , während

sie ausgesprochen werden und nachdem sie ausgesprochen sind. „Ver-

gessen“ sind sie nicht mehr. Das Haus, das der Baumeister baut, lebt

in ihm und in den Bewohnern (die den Schöpfergedanken des Bau-

meisters nachschöpfen) weiter, es bleibt in ihnen befaßt: sie wissen

immer, was ein Haus ist. Würden sie das „vergessen“, würden sie

jenen elementaren Schöpfungsakt „das ist ein Haus“, nicht mehr

vollziehen, so könnten sie auch in das Haus nicht mehr hineingehen,

es nicht mehr finden und benützen. Das „Haus“ existierte nicht

mehr, es wäre nur noch eine Summe von Mörtel und Ziegelsteinen.

— „Das Ganze wird in den Gliedern geboren“, so sprachen wir den

Gedanken der Befassung in unserer „Kategorienlehre“ allgemein aus.

„Der Schöpfer stellt sich durch sein Schaffen im Geschöpfe dar und

bleibt mit dem Geschöpf verbunden“, dies wäre die entsprechende

Formel für die Schöpfungslehre. Das Ganze geht aber in den Glie-

dern, der Schöpfer im Geschöpfe nicht unter. Auf diese Weise ge-

schieht es, daß die „Befaßtheit“, indem sie sowohl das „Untergehen“

in den Geschöpfen oder die „Emanation“ wie auch die loslösende

Trennung des Geschöpfes vom Schöpfer verneint, sowohl den Pan-

theismus wie den Deismus unmöglich macht.

Wer das Sein ganzheitlich als schöpferische Ausgliederung er-

kennt, für den kann nichts aus dem Schöpfer völlig herausfallen.

Jedes Geschöpf muß im Schöpfer befaßt bleiben, soll es nicht in den

1

Siehe meine Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 232 ff., wo auch gezeigt

ist, daß die B e f a s s u n g keineswegs Pantheismus, Ausfließen des Schöpfers in

das Geschöpf oder Vermischung beider bedeutet. Jede echte Schöpfungs- und

Seinslehre hat sowohl Deismus wie Pantheismus aufs strengste auszuschließen.