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behauptet, sagt noch nichts darüber aus, mit welchen wirklichen

Pferden auch tatsächlich neue wirkliche Pferde entstehen können,

zum Beispiel genügt die Wirklichkeit kranker oder alter Pferde

dafür nicht. Damit aus Pferden neue Pferde werden, ist noch die

„Möglichkeit“, die nicht in der Luft hängen darf, also auch eine Art

von „Wirklichkeit“ haben muß, nötig; das heißt aber doch, daß

dieser Tatbestand in einer über der sinnfälligen Wirklichkeit liegen-

den Wirksamkeit real enthalten sein muß: entweder in den „Natur-

gesetzen“ oder in einem Bestimmungssystem nach Art der platoni-

schen Ideenwelt oder der aristotelischen Formenwelt. Will man

überhaupt einen Zusammenhang in der sinnfälligen Welt anerken-

nen und sie nicht als Zufall betrachten, dann bleiben Denkbarkeiten

anderer Art als die genannten gar nicht übrig. Denn jene „Möglich-

keiten“ müssen stets real, das heißt aber irgendwie in der Weltord-

nung, sei es, daß diese mehr mechanisch und materialistisch gedacht

wird (Naturgesetz), sei es, daß sie mehr geistig und übersinnlich ge-

dacht wird (Ideenlehre), beschlossen liegen. Der Werdegang und die

Wesensbestimmtheit, das Genetische und Substantielle, fallen nicht

zusammen

1

.

D.

W e l c h e F e h l e r d e m A r i s t o t e l e s u n t e r l a u f e n

s i n d , s o f e r n e r d e n S a t z : „ D a s W i r k l i c h e i s t

v o r d e m M ö g l i c h e n “ a l s e i n d e u t i g e n

b e h a n d e l t e

Es ist zweifelhaft, ob Aristoteles selbst den Satz: „Das Wirkliche

ist vor dem Möglichen“, in durchaus eindeutigem Sinne gebraucht,

da er an manchen Stellen den genetischen und den substantiellen

Vorrang

(

χρόνω

und

ούσία

)

selber ausdrücklich / unterschied, wie

namentlich das 8. Kapitel des 9. Buches der „Metaphysik“ beweist.

Doch ist nicht zu leugnen, daß Aristoteles den Satz auch im allge-

meinen Sinne gebrauchte und daß dies noch mehr die alten und

neuen Aristoteliker taten. Darum ist es nützlich, noch auf die be-

sonderen Formen der Verwechslungen hinzuweisen, die beim ein-

deutigen Gebrauche des Satzes: „Das Wirkliche ist vor dem Mög-

lichen“ zugrunde liegen.

1

Vgl. auch unten S. 97 f.