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bei Gott Wesenheit und Sein zusammenfallen, bei den geschaffenen
Dingen dagegen Wesenheit und Dasein (Existenz) getrennt seien,
daß mit der Wesenheit noch keineswegs das Dasein gegeben sei. /
Es ist bekannt, daß unter den Begriff
ούσία
(substantia) bei
Aristoteles mehrere Bedeutungen fallen, deren wichtigste sind:
(1) die Nebenbedeutung Substrat, stoffliche Grundlage
(ύποχείμενον,
subjectum im Sinne von zugrunde Liegendem, nicht im Sinne von
Ich); (2) das Einzelding, Einzelwesen, individuum, das auch als die
erste Substanz,
ούσία πρώτη,
substantia prima, bezeichnet wird (im
Gegensatze zu den Gattungen als den abgeleiteten oder zweiten
Substanzen). Das Einzelwesen besteht aus Form und Stoff, es ist
das konkret Seiende
(τό σύνολον,
das Zusammengesetzte, Komposi-
tum); (3) endlich das Wesen im begrifflichen Sinne, der rein logi-
sche Wesensgehalt,
τό χατά λόγον ουσία, τό τί ήν είναι, είδος, μορφή
,
forma, essentia
1
. — In der Erfahrung ist nur die
ούσία
in der
unter (2) angegebenen Bedeutung (Einzelwesen) anzutreffen, wesen-
gebend ist aber nur die unter (3) genannte / „Substanz“: die F o r m
ferner / der Sinn des Satzes in der Scholastik. Die meisten Neuthomisten unter-
scheiden jedenfalls nicht nur zwischen möglicher Wesenheit und ihrem Dasein
überhaupt, zwischen „quod est“ und „quo est“. Sondern sie sagen mit Tho-
mas: Das geschaffene Ding existiert, im Gegensatze zu Gott, nicht kraft seiner
Wesenheit und ist nicht sein eigener Akt. Auch in den wirklichen, in den bereits
existierenden Dingen wäre daher ein „realer Unterschied“ zwischen der Wesen-
heit und der Existenz; zur (schon real gedachten) Wesenheit käme der Akt des
Daseins selbständig hinzu; das heißt der Akt der E x i s t e n z ist ihnen real
verschieden von der r e a l g e d a c h t e n Wesenheit (essentia). Nach Suarez
dagegen ist dieser Unterschied nur ein virtueller, Wesenheit und Existenz sind
in den Dingen real identisch. — Vgl. Alphons Lehmen: Lehrbuch der Philosophie
auf aristotelisch-scholastischer Grundlage, Bd i, 5. Aufl., Freiburg i. Br. 1923,
S. 338 ff.; Joseph Geyser: Allgemeine Philosophie des Seins und der
Natur, Münster i. W. 1915, S. 33—61; Ludwig Schütz: Thomas-Lexikon, Samm-
lung, Übersetzung und Erklärung der in sämtlichen Werken des hl. Thomas von
Aquin vorkommenden Kunstausdrücke und wissenschaftlichen Aussprüche, 2. Aufl.,
Paderborn 1895, Artikel ens, esse. — Die aristotelischen Nachweise siehe bei
Matthias Kappes: Aristoteles-Lexikon, Paderborn 1894, unter
είναι
und
ού
σ
ία
,
und bei Hermann Bonitz: Index Aristotelicus, Berlin 1870, 220 b, 38 ff. —
Kant: Kritik der reinen Vernunft, nach der 1. und 2. Originalausgabe neu
herausgegeben von Raymund Schmidt, Leipzig 1905, S. 106 ff. und 626 f. (= Phi-
losophische Bibliothek, Bd 37 d).
Vgl. auch die geschichtlichen Darlegungen in Kuno Fischer: System der Logik,
3. Aufl., Heidelberg 1909, §§ 11 ff. und 67 ff. (Wesen und Dasein).
1
Näheres in der übersichtlichen Darstellung bei Matthias Kappes: Aristoteles-
Lexikon, Paderborn 1894, Schlagwort
ού
σ
ία
,
S. 42—44.