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gegliedertheit und Mit-Rückverbundenheit mit anderem Geistigen

gesetzt; und in entsprechendem Sinne kann man auch von der Stoff-

lichkeit sagen, daß sie in sich selbst bestimmt ist und ihre Teile in

gegenseitigem Zusammenhange stehen.

Die große Frage aber, die in der Geschichte der philosophischen

Systeme stets eine entscheidende Rolle spielte, erhebt sich nun: in

welchem Verhältnisse das Reich des Geistes und das Reich des Stof-

fes zueinander stehen. Die Wichtigkeit dieser Frage kommt nicht

nur im Verhältnisse von Seele und Leib zur Geltung, sondern auch

im Verhältnisse des Geistes zu seinem sinnlichen Gegenstande.

Ebenso ist sie in der Ontologie, in der Ideenlehre und in der Geistes-

lehre (Pneumatologie) selbst, wie wir sehen werden, entscheidend.

In den älteren idealistischen Lehrgebäuden der Philosophie be-

gegnet man übereinstimmend jener platonisch-aristotelischen Vor-

stellung vom Verhältnisse des Geistes zur Materie, die in ihrer

folgerichtigen neuplatonischen Durchführung zur s t u f e n f ö r -

m i g e n A b l e i t u n g der Materie aus dem Geiste führte. Das /

gesamte Sein soll darnach in Seinsgrade oder Ebenen von stufen-

weise sinkender Vollkommenheit geordnet werden können und die

niederen Grade sollen sich aus den höheren ableiten lassen.

Nach P l a t o n wären die folgenden Seinsstufen oder Seinsgrade

zu unterscheiden:

1.

Gott, die Idee des Guten;

2.

die Ideenwelt oder die reine Geisteswelt;

3.

die Materie, die Aufnehmerin der Ideen (das ungeordnete

Bewegte

1

).

1

Bekanntlich steht im „Timaios“ (30 a) der Gottheit „das Sichtbare“ „wirr und

ungeordnet“, das heißt die Materie als Chaos, gegenüber. Aber aus anderen Lehr-

begriffen Platons folgt, daß hier nur eine ideelle Gegenüberstellung gemeint sein

kann („Philebos“: Begrenzendes, Formendes — Begrenztes, Geformtes

πέρας — άπειρον),

nicht aber eine Materie n e b e n dem Schöpfer. Die Materie des „Ti-

maios“ ist ein Außereinander, das sich der Idee darbietet (daher „Amme“, „Mut-

ter“, „Timaios“, 5o c) und in vermitteltem Sinne eine Ableitung, eine Konkreti-

sierung der Ideen. Nicht beipflichten kann ich der Ansicht, daß die platonische

Materie der leere Raum wäre („Timaios“, 49 a ff.). Man muß meines Erachtens

Platon schon fast materialistisch auslegen, um eine solche Meinung ernsthaft zu be-

gründen. Wie sollte auch je der leere Raum eine „Amme“, eine „Empfängerin“,

ein Mütterliches genannt werden können? — Vgl. Platon: Philebos, übersetzt und

erläutert von Otto Apelt, 2. Aufl., Leipzig 1922, 16 e, 23 c ff. — Eduard Zeller: Die

Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Teil 2, Bd 1,