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leiten, erweist es sich als ganz und gar vergeblich, diese Ableitung
für sich selbst begreiflich zu machen. Sieht man hier genauer zu, so
findet man, was wir oben schon hervorhoben: Geist kann nur Geist
ausgliedern. Dabei muß es immer bleiben! Der Mensch erwacht
zum Leben und zum Denken und findet seine ganze Leiblichkeit,
seine körperliche Gestalt schon vor. Aber nicht nur das. Der mensch-
liche Geist könnte allein von sich aus niemals wissen, welche kör-
perlich-räumliche Gestalt ihm selber zukommt. Denn Denken ist
nur Denken und führt von sich aus nie zur Räumlichkeit. S ä h e
s i c h e i n M e n s c h n i e i m S p i e g e l , s o w ü ß t e e r
a u c h n i c h t , w i e e r a u s s i e h t . Und sähe er auch keinen
anderen Menschen, so wüßte er nicht, wie ein menschliches Antlitz
aussieht. Das beweist aufs deutlichste: daß nicht der Geist es ist,
der sich „verkörpert“, sich „verräumlicht“, sich „materialisiert“;
sondern daß der Geist mit schon vorhandenen Stoffen, mit schon
vorhandener räumlicher Beschaffenheit dieser Stoffe arbeitet, wenn
er mit ihnen im leiblich-organischen Leben in „Verbindung“ tritt,
wenn er mit ihnen den Leib „baut“. Der Geist gleicht in diesem
Punkte / einem Baumeister. Der Baumeister setzt und denkt, das
heißt schafft den „Plan“ des Gebäudes als eines Systems von Zim-
mern, Formen, Fassaden: das Geistige am Gebäude; er schafft aber
nicht die Ziegelsteine, nicht das Stoffliche am Gebäude.
Das D e n k e n , die hellste Tätigkeit des Geistes, besteht, wie
Hegel sagte, immer in einem „Bei-sich-selbst-Bleiben“, in einem
Sich-auf-sich-selbst (im Denken des Gegenstandes als eines anderen)
Beziehen. Das D e n k e n b e s t e h t d a r i n , d a s G e -
d a c h t e i n s i c h s e l b s t r ü c k v e r b i n d e n d z u b e -
f a s s e n — wo sollte da Räumlichkeit, wo Stofflichkeit herkom-
men? — Aber auch das L e b e n selbst (im sinnlich-vitalen und
vegetativen Sinne) hat dasselbe Grundgefüge, ein Sich-auf-sich-
selbst-Rückbeziehen. Süßes auf der Zunge empfinden, einen Geruch
empfinden, die vitalen „Gemeingefühle“ haben, das heißt die phy-
siologisch-vegetativen Lebensverrichtungen empfinden — diese und
alle anderen einfachsten, urmäßigen Tatsachen des Lebens, s i e
a l l e b e s t e h e n i n e i n e m S i c h - i m - E m p f u n d e -
n e n - s e l b s t - E m p f i n d e n , sie bestehen im Sich-auf-sich
selbst-Beziehen; sie bestehen aber niemals in einer V e r r ä u m -
l i c h u n g , niemals in einem Sich-Verstofflichen, das ja nur als