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lastikern wohl bekannt ist, in Widerspruch

1

. Der Emanationsbegriff

kommt daher für die Begründung der Stufengrade des Seins nicht

in Frage. Es verbleibt dann nur noch der aristotelisch-neuplatoni-

sche Begriff der Materie als desjenigen, was im Wechsel der Gestal-

ten beharrend zugrunde liegt (dem Substrate,

ύποκείμενον)),

als des

leeren Erleidenden, als des schlechthin Empfänglichen, als der rein

passiven Möglichkeit (potentia,

δύναμις

2

).

Der Gedankengang des

Aristoteles war: daß im Wechsel der Formen — Holz verbrennt zu

Asche, Wasser wird zu Dunst, das heißt auf die „Form“ Holz folgt

die „Form“ Asche und so fort — etwas zur Grundlage dienen müsse

(ein

ύποχείμενον,,

Substrat, Unterliegendes). Dieses letzte, behar-

rend Zugrundeliegende oder die „erste Materie“ (materia prima,

(ύλη πρώτη)

kommt selbst nie zur Erscheinung. Denn sie ist als

das Auf nehmende, etwa gleich dem Wachse, das die Form des Siegels

aufnimmt, sie ist nur das Formbare selber, das schlechthin Formlose,

und eben darum nichts als die reine passive Möglichkeit. — Ebenso

Platon und die Neuplatoniker

3

.

/

Diese Materie soll nun einerseits nichts sein als Aufnahmefähig-

keit für Ideen, Formen, soll reine Potenz sein — und doch soll sie

den Grund dafür abgeben, warum die Ideen und Formen (in der

„zweiten Materie“, im „Kompositum“) ausgedehnt, teilbar und so-

gar individualisiert, ja nach Platon auch, warum sie numerisch ver-

vielfältigt sind! Diese Unzulänglichkeit des antiken Begriffes der

Materie wird ja heute überall erkannt.

Abgesehen aber von all den systematischen Schwierigkeiten, die

sich innerhalb des Begriffsgebäudes der Philosophie aus dem Ver-

suche ergeben, die Seinsordnungen voneinander stufenmäßig abzu-

1

Siehe oben S. 63 ff.

2

Näheres über die verschiedenen Bedeutungen von Substrat, substantia,

ύποχεϊμενον

siehe oben S. 110 ff.

Auch in der unten folgenden Behandlung der Ideenlehre wird es sich zeigen,

daß die Annahme einer genetischen Stufenfolge des Seins im dargelegten Sinne

widerspruchsvoll und undurchführbar ist (siehe unten Sechstes Buch: Ideenlehre,

Abschnitt II und VII, S. 404 ff. und 473 ff.

3

Vgl. Aristoteles: Metaphysik, VII, 3, 1029 a, 20. Der Stoff ist an sich

selbst ohne jedes Was, ohne jede Form „...

ήτε τί μήτε ποσόν, μήτε άλλο μη δέν

. Vgl.

Aristoteles: Metaphysik, I, 9, 192 a, 31. — Unge- / klärt bleibt diese

Seite der Frage bei der S c h e l l i n g - H e g e l i s c h e n Begriffsbestimmung:

Stoff = depotenzierter Geist.