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Schon bei Platon läßt sich diese dreistufige Ordnung in eine fünf-
stufige verwandeln, wenn man nämlich zwischen die Ideenwelt und
die Materie als drittes die Weltseele („Timaios“, 30 b) und als vier-
tes die mathematische und geometrische Formenwelt schiebt. (Eng
verwandt damit Aristoteles
* 1
.)
Eine vollkommen folgerichtige Ausbildung dieser Stufenlehre gab
der Neuplatonismus. Bei P l o t i n sind zu unterscheiden:
/
1.
Das Eine (
έν
);
2.
der Weltgeist
(νους,
mit der Ideenwelt, die Ideen sind in den
νους
verlegt);
3.
die Weltseele (
φυχή
);
4.
die Natur (in der Scholastik und bei Aristoteles zweite Materie
genannt, bei Platon im „Philebos“ das
μιχτόν
das Gemischte, ge-
nannt). — Die Ideen werden vermittels der Weltseele in der Materie
dargestellt und ergeben die Sinnenwelt, die geformte Materie oder
Natur genannt;
5.
die Materie, das an sich Gestaltlose, aber schlechthin Emp-
fängliche, schlechthin Potentielle, zum Unterschiede von der schon
zur Sinnlichkeit gestalteten Materie oder Natur (siehe unter „4“)
auch erste Materie genannt
2
.
Zwischen Platon und den Neuplatonikern liegt die von der Scholastik ausge-
bildete Stufenlehre, die man folgendermaßen unterscheiden kann: (1) Gott mit
der Ideenwelt (die Ideen erscheinen seit Augustinus, der sich hierin den Neu-
platonikern angleicht, als Gedanken Gottes); (2) die geistige Welt, besonders die
menschliche Seele; (3) die Natur oder zweite Materie, als die durch die Ideen
(Formen) gestaltete Materie; (4) die Materie an sich oder erste Materie, welche die
reine Aufnehmerin, die reine Potentialität ist
3
.
Die Stufenleiter ist, wie man sieht, in allen Fassungen grundsätz-
lich dieselbe, da es hier auf ihre besondere Ausgestaltung und Be-
5. Aufl., Leipzig 1922, S. 719 ff.; Hans Meyer: Geschichte der alten Philosophie,
München 1925, S. 166 ff.; Julius Stenzei: Zahl und Gestalt bei Platon und
Aristoteles, Leipzig 1924, S. 61 ff., 87 und 131 f.
1
Siehe unten S. 171 f.
2
Vgl. Plotin: Enneaden, übersetzt von Richard Harder, Leipzig 1930—37,
V, 1 und 2; V, 1, 6; III, 6, 6 (= Philosophische Bibliothek, Bd. 211 a). — Über
den noch reicheren Stufenbau bei Proklus vgl. Eduard Zeller: Die Philosophie
der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Teil 3, Bd 2, 4. Aufl., Leipzig
1903, S. 847 ff.
3
Vgl. z. B. Albert Stöckl: Lehrbuch der Philosophie, Bd 2, 5. Aufl., Mainz
1881, S. 92, 95 ff. und öfter.