Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4481 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4481 / 9133 Next Page
Page Background

[181/182]

169

Schon bei Platon läßt sich diese dreistufige Ordnung in eine fünf-

stufige verwandeln, wenn man nämlich zwischen die Ideenwelt und

die Materie als drittes die Weltseele („Timaios“, 30 b) und als vier-

tes die mathematische und geometrische Formenwelt schiebt. (Eng

verwandt damit Aristoteles

* 1

.)

Eine vollkommen folgerichtige Ausbildung dieser Stufenlehre gab

der Neuplatonismus. Bei P l o t i n sind zu unterscheiden:

/

1.

Das Eine (

έν

);

2.

der Weltgeist

(νους,

mit der Ideenwelt, die Ideen sind in den

νους

verlegt);

3.

die Weltseele (

φυχή

);

4.

die Natur (in der Scholastik und bei Aristoteles zweite Materie

genannt, bei Platon im „Philebos“ das

μιχτόν

das Gemischte, ge-

nannt). — Die Ideen werden vermittels der Weltseele in der Materie

dargestellt und ergeben die Sinnenwelt, die geformte Materie oder

Natur genannt;

5.

die Materie, das an sich Gestaltlose, aber schlechthin Emp-

fängliche, schlechthin Potentielle, zum Unterschiede von der schon

zur Sinnlichkeit gestalteten Materie oder Natur (siehe unter „4“)

auch erste Materie genannt

2

.

Zwischen Platon und den Neuplatonikern liegt die von der Scholastik ausge-

bildete Stufenlehre, die man folgendermaßen unterscheiden kann: (1) Gott mit

der Ideenwelt (die Ideen erscheinen seit Augustinus, der sich hierin den Neu-

platonikern angleicht, als Gedanken Gottes); (2) die geistige Welt, besonders die

menschliche Seele; (3) die Natur oder zweite Materie, als die durch die Ideen

(Formen) gestaltete Materie; (4) die Materie an sich oder erste Materie, welche die

reine Aufnehmerin, die reine Potentialität ist

3

.

Die Stufenleiter ist, wie man sieht, in allen Fassungen grundsätz-

lich dieselbe, da es hier auf ihre besondere Ausgestaltung und Be-

5. Aufl., Leipzig 1922, S. 719 ff.; Hans Meyer: Geschichte der alten Philosophie,

München 1925, S. 166 ff.; Julius Stenzei: Zahl und Gestalt bei Platon und

Aristoteles, Leipzig 1924, S. 61 ff., 87 und 131 f.

1

Siehe unten S. 171 f.

2

Vgl. Plotin: Enneaden, übersetzt von Richard Harder, Leipzig 1930—37,

V, 1 und 2; V, 1, 6; III, 6, 6 (= Philosophische Bibliothek, Bd. 211 a). — Über

den noch reicheren Stufenbau bei Proklus vgl. Eduard Zeller: Die Philosophie

der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Teil 3, Bd 2, 4. Aufl., Leipzig

1903, S. 847 ff.

3

Vgl. z. B. Albert Stöckl: Lehrbuch der Philosophie, Bd 2, 5. Aufl., Mainz

1881, S. 92, 95 ff. und öfter.