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des zu Schauenden vollzieht. — Als z w e i t e S t u f e erscheint das Wissen

(Denken) und Gestalten. Wissen und Gestalten (Kunst) sowie ihre Ableitungen

zeigen sich abermals nicht als bloße „Vorstellung“, sondern als eine eigene Art

des Weitergebens des Geschauten, als eine eigene Stufe des Schaffens. Daher

gehören hierher ebenso das künstlerische Ausführen wie das wissenschaftliche. — Als

d r i t t e S t u f e erscheint endlich Wollen und Handeln: In ihnen wird / das

„Gewußte“ weitergegeben, aber nicht in seiner bloßen Eigenschaft als Gewußtes

(als dessen Grundlagen auch die innere Sinnlichkeit und die äußere Sinnener-

fahrung nunmehr erscheinen), sondern auf G r u n d e i g e n e r O r d n u n g

(„Wertung“ usw.), seinem Seinsgehalte nach. Das Gewußte erscheint nun als

„Gut“ (bonum). Was im Schauen und Wissen angesammelt wurde, bricht in

Wollen und Wirken in n e u e r W e i s e aus

1

.

Unser Geist ist aber nicht nur eine Stufenfolge eigenen Schaffens

oder Ausgliederns, er ist auch eine Stufenfolge von Schauungen, von

Geschaffenwerden, das heißt eine S t u f e n f o l g e v o n R ü c k -

v e r b i n d u n g e n , — Auch die Rückverbundenheit ist etwas

im Geiste, was nicht rational, was nicht Denken ist, sondern wovon

das Denken überhöht und in die Mitte genommen wird. Daß der

Geist als Ganzes, mit allen seinen Stufen in einem Höheren rückver-

bunden ist, und zuletzt in Gott, das ist der letzte Wesensgrund des

Glaubens

2

. „Glaube“ ist der Ausdruck der allgemeinsten, der tief-

sten Rückverbundenheit, die jede andere einschließt. Darum ist es

kein leerer Wahn, wenn die christlichen Schriftsteller der Vorzeit

den Glauben als das Licht bezeichneten, das selbst dem Denken vor-

leuchtet. Darüber mögen unsere flachen Empiristen und Aufklärer

aller Art und Farbe lächeln, es bleibt doch ewig wahr. Allerdings

muß man sich darüber klar sein, daß das Licht des Glaubens am

Wissen und Handeln erst auf leuchtet, denn wie jedes Licht, so wird

auch dieses erst an Gegenständen leuchtend. In diesem Sinne gibt

es keinen Gegensatz von Wissen und Glauben, sondern Glaube kann

am Wissen erst gebildet, erst gestaltet werden. Die allgemeine Rück-

verbundenheit aller Stufen muß erst an jeder besonderen Stufe zur

Abhebung kommen.

Als nächste Stufe ergibt sich die Rückverbundenheit des Wissens

im Schauen. Nur jenes Wissen, das die Zerlegung und Verarbeitung

eines Geschauten ist, hat sicheren Grund. Im Schauen wird der Gott-

heit ein Funke ihres heiligen Feuers entrissen. Nur das G e -

1

Weiteres darüber in meinem Buch: Gesellschaftsphilosophie, München und

Berlin 1928.

2

Siehe oben S. 205 f.