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Unser Weg führt uns nicht durch das ganze Begriffsgebäude der
Naturphilosophie, sondern nur durch jene Grundbegriffe, welche
die Seinslehre fordert. Das sind aber die Begriffe von Stoff, Zeit
und Raum, denn sie bestimmen die Grundzüge der natürlichen
Seinsordnung.
E r s t e r A b s c h n i t t
Lehrbegriff des Stoffes
I. Überblick über die grundsätzlichen Auffassungen des Stoffes
Als die grundsätzlichen Auffassungen des Stoffes oder der Ma-
terie zeigen sich in der Geschichte der Physik die atomistische,
die dynamische, die aristotelische und die kontinuitätstheoretische
1
.
A. Der A t o m i s m u s
Die atomistische Auffassung des Stoffes ist auch als die mechani-
sche schlechthin zu bezeichnen. Ihr Grundgedanke ist darin zu er-
blicken: daß sie letzte Teilchen kennt, die für s i c h Da- / sein ha-
ben und durch ihre Bewegungen und Lageveränderungen die Na-
tur, die stoffliche Welt, ergeben. Es macht dabei nichts aus, ob diese
letzten Teilchen einfache Atome sind, wie nach der alten, oder
Gruppen von Korpuskeln, wie nach der heutigen Lehre. Die Na-
turwesen bestehen nach dieser Ansicht im letzten Grunde nicht als
eigene Wesen, sondern wirklich sind allein die letzten Teilchen.
Erst das mannigfaltige Zusammentreten und Auseinandertreten
derselben erklärt die Verschiedenheit der Naturwesen und Natur-
eigenschaften, ihr Entstehen und Vergehen.
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Vgl. außer den im Laufe der Untersuchungen angeführten Büchern noch
im allgemeinen: Hermann Weyl: Was ist Materie?, Berlin 1924; Ludwig Baur:
Metaphysik, 2. Aufl., München 1923 (neuscholastisch). Besonders möchte ich aber
auf die Schrift von Erwin Lohr: Atomismus und Kontinuitätstheorie in der neu-
zeitlichen Physik, Leipzig 1926, aufmerksam machen, welche zum ersten Male
die grundsätzlichen Verfahrenfragen und Begriffe einer nicht-atomistischen, näm-
lich einer kontinuitätstheoretischen Physik entwickelt. — Vgl. auch Ernst Mach:
Die Mechanik in ihrer Entwicklung (1883), 9. Aufl., Leipzig 1933.
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