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den, nicht „Materie“. Wollte man die Stofflichkeit vom Urpunkte
der Entstehung her mit Namen heißen, dann wäre sie mit Rücksicht
der in ihr waltenden Ordnung, mit Rücksicht darauf, daß in ihr
N e u e s h e r v o r t r i t t , welches durch Umbildung eines Vor-
sinnlichen in das Räumlich-Stoffliche und Sinnliche entsteht, zu
nennen: das H e r v o r t r e t e n d e , d a s S c h w e l l e n d e ,
d i e V ö l l e , d a s F e i s t e , d a s P l a s t i s c h e ; mit Rück-
sicht aber auf das Neue und Vielartige, das in diesem Vollen und
Schwellenden zur Erscheinung kommt, auch: die F ü l l e .
Als ein strahlender Erfolg unserer Lehransicht darf es empfunden
werden, daß im Stoffe als dem Hervortretenden, dem Vollen und
der Fülle die W e l t d e r S c h ö n h e i t s i c h e n t f a l t e t .
Der Morgen- und Abendhimmel, das Wunder des Kreises, Erschei-
nungen, die nicht durch die Lebewelt noch durch die Geisteswelt
mitgeformt sind, sind die Kronzeugen für die der stofflichen Welt
selbst arteigene Schönheit. Und wie himmel- / weit ist diese
Schönheit verschieden von der geistigen Schönheit der menschlichen
Gestalt, vom Flügelschlage des königlichen Adlers. Zum „Hervor-
treten“ gehört, wie sich ergab, die bestimmte, sich arteigen ver-
räumlichende Gestalt, insoferne die Verräumlichung nicht nur eine
hinausstrebende (erregende), sondern auch eine befassende (beschlie-
ßende, in sich behaltende und damit begrenzende) Tat in sich
schließt
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. Zum Hervortreten gehört auch die Durchdringung des
Gestalteten mit Eigenschaft. Daher hat die Gestalt auch Fülle, ins-
besondere Farbe. (Die Rose des Abendhimmels.)
Hiermit ist unleugbar ein Wesentliches in der Daseinsebene der
stofflichen Welt zum Verständnis gebracht. D e n n d i e S c h ö n -
h e i t i s t v o n d e r l e b e n d i g e n W i r k l i c h k e i t d e r
M a t e r i e n i c h t z u t r e n n e n . Die Wüsten- und Felsen-
landschaft, der reine Tageshimmel, der bewölkte Abend- und Mor-
genhimmel, der goldene Sternenhimmel, ungezählte andere Natur-
erscheinungen, darunter nicht zuletzt jene geheimen, die im Labora-
torium des Physikers, Chemikers und Mineralogen auftreten, zeigen
uns die stoffliche Welt in übermächtiger, ihr selbst allein angehöri-
ger, urmäßig anmutender Schönheit. Wir wollen diese rein stoff-
liche Schönheit die „ e l e m e n t a r i s c h e S c h ö n h e i t “ nen-
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Siehe oben S. 326 f. und 328 f.