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Hegel bestimmt ferner die Zeit als ein rein Ideelles. „ . . . nicht in der Zeit
entsteht und vergeht alles, sondern die Zeit selbst ist dies W e r d e n.“ „Der
Begriff... ist an und für sich .. . die Zeit daher nicht seine Macht, noch ist er in
der Zeit und ein Zeitliches, sondern er ist vielmehr die Macht der Zeit... Nur
das Natürliche ist darum der Zeit untertan, insofern es endlich ist; das Wahre
dagegen, die Idee, der Geist ist e w i g.“
1
Eine andere Stellung nimmt B a a d e r ein, der dem Zeitbegriffe
besondere Sorgfalt widmete und ihn mit intuitiver Tiefe behan-
delte, wenn auch leider nur mit wenig Systematik. Wir lassen Baa-
der hier ausführlich zu Worte kommen, da wir später nicht mehr
auf ihn zurückkommen werden. — Baaders Lehre wird dem Vor-
range der Zeit, wie auch wir ihn später zu verteidigen gedenken,
gerecht und erkennt den mystischen Grund der Zeit.
Über die Entstehung der Zeit ihrem metaphysischen Grunde nach sagt er
2
:
Für die Erklärung der Zeit ist zu bedenken, „daß aus einem / Ewigen unmit-
telbar kein Zeitliches, aus einem Ganzen und Einzigen unmittelbar kein Gebro-
chenes, kein Bruch, aus einem Gesetzgeber kein Versetztes, aus dem Einigen
kein Zusammengesetztes hervorgehen kann...“, daher die Zeitlichkeit oder Ver-
gänglichkeit nicht als primitiv und konstitutiv genommen werden könne. In
Wahrheit schaffte das Vollkommene (Gott) nur Vollkommenes, aber allerdings
keine „fixierte“ Vollkommenheit, sondern sie bedarf der freien Mitwirkung des
Geschaffenen (Ausgabe Sauter, S. 540 ff.). Auch durch den Sündenfall und den Sturz
Luzifers ist die Zeit noch nicht erklärt, sondern nur die Scheidung in eine lichte
und finstere Welt. Die Erklärung der Zeit „ist nur durch die Annahme möglich,
daß sämtliche Intelligenzen sich nicht bloß nach zwei Richtungen [nämlich für
oder gegen Gott], sondern sofort nach dreien schieden und daß eben jener Teil
dieser Intelligenzen, welcher sich weder zu noch gegen Gott direkt wendete,
sondern nur ohne Gott sein wollte, die Veranlassung zu dem Urstande der Zeit-
region gab .. .“
3
. Zeit ist die Suspension der Ewigkeit, Raum jene des Überall
4
.
1
Hegel: Enzyklopädie, § 258.
2
Franz von Baader: Elementarbegriffe über die Zeit als Einleitung zur
Philosophie der Sozietät und der Geschichte (1831), § 9 ff., jetzt abgedruckt in
Johannes Sauter: Franz von Baaders Schriften zur Gesellschaftsphilosophie, Jena
1923, S. 540 ff. (= Die Herdflamme, Bd 14).
3
Johannes Sauter: Franz von Baaders Schriften zur Gesellschaftsphilosophie,
Jena 1925, Nr. 19, S. 549 f. (= Die Herdflamme, Bd 14).
4
Johannes Sauter: Franz von Baaders Schriften zur Gesellschaftsphilosophie,
Jena 1925, Nr 5, S. 538 und öfter. — Im Begriffe der „Suspension“ hat Baader
den unbekümmerten Fehler Früherer vermieden, welche die Zeit als das „Nach-
einander“ bestimmten; — welches „Nacheinander“ doch offenbar die Zeit schon
voraussetzt. Mit der „Suspension“ ist wenigstens das Unbekümmerte dieser Zir-
kelerklärung vermieden und das Was der Zeit — die als Urerfahrung nicht mehr
durch anderes erklärt werden kann — wenigstens verneinend bestimmt. Vgl.
dazu unten S. 338 f. und 340 f.